Bonanca, so einfach ist das leider nicht. Für Außenstehende ist häufig einfach nicht ersichtlich, wieso Menschen einer Sucht verfallen und dann völlig irrationale Dinge tun und nicht mehr damit aufhören können. Glücksspiel ist so eine Sache. Die Glücksspielsucht ist tatsächlich ein Krankheitsbild - eine substanzungebundene Abhängigkeit die therapiebedürftig ist. Es besteht dabei keine vernünftige Motivation hinter den Handlungen der Betroffenen. Sie verlieren die Kontrolle darüber, handeln impulsiv und geraten infolge dessen häufig in einen Teufelskreis, den sie ohne externe Hilfe nicht verlassen können. Und ich denke, dass viele Glücksspielsüchtige sich der Gefahr zuvor durchaus bewusst waren - ein mal am Automaten spielen oder mal ne Runde Roulette ausprobieren - da ist doch nix dabei.
Wieso hört der Raucher nicht einfach auf zu rauchen? Schließlich weiß er ja, dass er sich einem erhöhten Krebsrisiko aussetzt und dafür auch noch Geld ausgibt. Verrückt! Hier ist die Abhängigkeit zwar substanzgebunden, aber prinzipiell ist das die gleiche Problematik. Andere Beispiele:
Wieso arbeiten Workaholics nicht einfach weniger? Es ist doch völlig irrational rund um die Uhr nach nie erreichbarer Perfektion zu streben und mit 50 Jahren an den Folgen der Überstrapazierung zum Pflegefall zu werden.
Warum hören Kaufsüchtige nicht einfach auf zu kaufen? Es ist doch völlig irrational, sein Selbstwertgefühl über die Anzahl der Kleidungsstücke im Kleiderschrank (oder -zimmer) zu definieren.
Wieso bleiben Spielsüchtige nicht einfach dem Kasino fern? Völlig irrational sein ganzes Hab und Gut, gar seine Existenz sprichwörtlich aufs Spiel zu setzen.
Eine Sucht schaft emotionale Abhängigkeit. Wenn Süchtige am Spielautomaten gewinnen, zum Schnaps greifen oder eine legendäre Karte in der Lootbox finden, verbinden sie das Ereignis mit positiven Emotionen. Wer sein Geld verzockt, eine Pechsträne hat, oder unter Entzugserscheinungen leidet, verbindet damit negative Emotionen. Hier können Depressionen einsetzen, es kann zu Verlustängsten oder Schuldgefühlen führen. Um diesem Zustand zu entkommen, versuchen Suchtkranke nun auf einfachstem Wege wieder die positiven Emotionen hervorzurufen. Und wie macht man das möglichst einfach zu zuverlässig? Genau! Schnell die wirklich allerallerletzte Zigarette rauchen (- dann ist garantiert Schluss!). Den Schwager mit fadenscheinigen Begründungen um Geld bitten, das man anschließend verzocken kann. Eine neue, sündhaft teure Handtasche auf Kredit shoppen. Das große Lootbox-Paket kaufen, wo ganz bestimmt ne legendäre Karte drin ist. Und wenn nicht... dann brauch ich noch ein Paket - bis das Verlangen befriedigt ist.
Das heißt natürlich nicht, dass jeder, der Lootboxen kauft, automatisch süchtig wird. Aber diese Systeme werden so ausgelegt, dass gezielt Verlangen geweckt und zum Kauf verführt wird. Die Gefahr der Abhängigkeit ist gegeben und entsprechend müssen hier Schutzmechanismen etabliert werden, um gerade auch Jugendliche zu schützen oder zumindest mit entsprechender Transparenz aufzuklären. Im Falle der Glücksspielsucht durch Lootboxen und ähnliches kann eine eventuell bereits vorhandene Computer- oder Internetsucht - bzw. im allgemeinen eine Medienabhängigkeit - für suchtverstärkende Effekte sorgen, wenn der Großteil des Privatlebens bereits durch die digitale Welt geprägt wird und das Selbstwertgefühl an die virtuelle Identität gekoppelt wird. Wenn man sich über seinen Avatar zu beweisen versucht, dass man etwas erreichen kann, wenn man Internetbekanntschaften mit seinem virtuellen Besitz imponieren will.
Man stelle sich vor, World of Warcraft würde um kaufbare Lootboxen ergänzt.