@ Blind Fish: Es ging darum, dass ein Motorradfahrer nach einem Unfall dazu verknackt wurde, seinen Schaden selbst zu tragen, nachdem er einem aus einem Waldweg herauskommenden Fahrradfahrer ausgewichen und dabei gestürzt ist.
Das Stichwort der
Gefährdungshaftung ist bereits gefallen, und wer sich vor diesem Hintergrund Hoffnungen auf eine Revision im konkreten Fall oder sogar eine höchstrichterliche Entscheidung macht, könnte evtl. auf Sand bauen. Dieses Prinzip ist schon seit Jahren in der Rechtssprechung verankert. Wer sich mit einem Kraftfahrzeug bewegt und in einen Unfall mit einem Radfahrer oder Fußgänger verwickelt wird, kann sich allein schon deshalb, weil er im Unfall der stärkere Partner war, ohne wirkliches Verschulden wegen mangelnder Vorsicht und fehlender Rücksichtnahme auf die von seinem Fahrzeug ausgehende Gefährdung auf den Vorwurf der Fahrlässigkeit einstellen. Meine Freundin hat das erst vor wenigen Wochen erfahren dürfen.
Vor diesem Hintergrund ist das konkrete Urteil für mich durchaus verständlich. Wäre er in den Radfahrer hineingefahren, dann würde vermutlich niemand an seiner Verantwortung für den Unfall zweifeln. Er ist dankenswerterweise ausgewichen und hat sich nur selbst geschädigt, aber ändert das etwas an der generellen Situation? Ich denke nicht!
Das Urteil halte ich für okay, die Begründung ist aber für mich äußerst dubios. In der Überspitzung heißt das doch, dass ich als Autofahrer künftig Motorradfahrer bedenkenlos plattmachen darf, schließlich ist die Benutzung eines Motorrades förmlich ein Selbstmordversuch. Wenn ich also einen Biker totfahre, leiste ich - straffrei - Beihilfe zum Selbstmord und begehe eben keine fahrlässige Tötung oder schlimmeres. Das hat dann auch mit der Gefährdungshaftung nichts mehr zu tun.
Ich hafte für die Gefährung der Gegenstände, die ich benutze. Das heisst, ich stehe anderen gegenüber für die Schäden gerade, die diesen anderen an dieser Stelle entstehen. Soweit okay. Das kann auch evtl. für die Krankenversicherung gelten, auch okay. Nicht in Ordnung ist aber der richterliche Freibrief, dass ich deswegen auch für Schäden hafte, die andere mir zufügen, während ich einen potentiell gefährlichen Gegenstand benutze. Damit ist das Urteil auch inkonsequent. Ein Schuldspruch wird mit einer Begründung unterlegt, der nur dann Sinn machen würde, wenn die Schuld eben nicht Gegenstand des Urteils wäre.
Meine Prognose: Das Urteil selbst bleibt bestehen, die Begründung aber geht den Weg in´s juristische Nirwana.
Was aber immernoch die Frage offen läßt, was für Pfeifen manchmal zumindest in der ersten Instanz als Richter auftreten.
Zum Glück können wir das hier im Forum an diesem Biker-Urteil festmachen. Andere erstinstanzliche Urteile der jüngeren Vergangenheit - Stichwort
Unter welchen Umständen darf man seine Frau verdreschen? - wären sicherlich sehr emotional und damit zur sachlichen Diskussion weniger geeignet. Andererseits hätte uns das vermutlich den langwierigen Kostenvergleich erspart!
Viele Grüße, Tiguar