conquerer schrieb:
@ Noxiel
Ich finde es lobenswert, wenn du davon ausgehst, dass Solidarität keine Einbahnstraße sei. Ist der Weg in eine Schuldenunion solidarisch? Warum sollen wir Deutsche für die Versäumnisse oder das Misswirtschaften der Südstaaten aufkommen? Nach meinem Empfinden ist dies kein Zeichen von einer Politik, die sich ernsthaft mit der Systematik der kumulierenden Krisen beschäftigt hat, sondern nur an irgendwelchen Symptomen herumbastelt, um die Allgemeinheit ruhig zu stellen.
Die Schuldenunion war doch nie geplant, geschweige denn Ziel der letzten 20 Jahre. Jedoch sehe ich in der Tat, gerade aus deutsch-egoistischen Gründen, einen Sinn dahinter den Griechen bzw. schwächelnden Euromitgliedern zu helfen. Die Binnennachfrage war nie der Motor der deutschen Wirtschaft, und mit Blick auf den Absatzmarkt Europa - zugleich der wichtigste für die BRD und unsere ansässigen Unternehmen - wäre es fatal den Griechen sich selbst zu überlassen.
Die gemachten Fehler der Vergangenheit rächen sich jetzt, gar keine Frage. Den Kopf jetzt aber in den Sand stecken und so tun als ginge uns das nicht an, kann nicht Prämisse deutschen Handelns sein, schließlich haben wir beide Augen feste zugedrückt als es damals um die Aufnahme in die europäische Runde ging.
conquerer schrieb:
Warum sollen wir Griechenland retten, wobei sich hier doch jeder selbst der nächste ist?! Dass wir hier noch die Nondemos-These bemühen, um irgendwelche soziale Umverteilungen zu rechtfertigen, kann ich nicht nachvollziehen. Es wird nie ein Verständnis aller europäischen Völker geben, wo sich auch nur in etwa einige auf einer Wellenlinie befinden, damit wir den Aufbau eines gemeinsamen europäischen Sozialstaats rechtfertigen. Das gesamte Projekt über Konvergenzkriterien, Harmonisierung etc. ist ja in vielen Bereichen wie Umweltpolitik, Klimaschutz etc. erfolgreich gewesen, nicht dass du glaubst, dass ich die gesamte Errungenschaft der EU "kaputtreden" möchte.
Zumindest nimmst du an, dass es kein Verständnis zwischen allen europäischen Völkern geben kann. Woher du dieses Wissen nimmst, ist bisher aber noch dein Geheimnis.
Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass Deutschland mit seinen Exportüberschüssen Wohlstand auf Kosten der anderen EU-Länder gewonnen hat und vor nicht wenigen Jahren galten wir noch als der kranke Mann Europas, ehe wir uns Reformen angenommen haben, die sich in den letzten vier Jahren als äußerst wertvoll erwiesen haben.
Und warum sollte eine Harmonisierung auf den Ebenen Umweltpolitik, Klimaschutz erfolgreich gewesen sein, während dies auf einer gesamteuropäischen Ebene, also auch auf einem fiskalischen bzw. wirtschaftspolitischen Level nicht möglich sein sollte?
conquerer schrieb:
Dennoch bin ich der Meinung, man sollte bei der fortschreitenden europäischen Integration Vorsicht walten lassen und die Bürger nicht noch weiter gegen sich aufbringen. Und genau hier kommt der Vorschlag von Species ins Spiel, warum er so stark auf der direkten Demokratie herumreitet. Indem Leute über etwas entscheiden können, werden oder fühlen sie sich zumindest mitgenommen oder ernstgenommen. Ob sie dies auch kognitiv in etwa für sich verarbeiten und das Outcome auch dem entsprechend bewerten können, sei mal dahin gestellt. Plebiszite halte ich bei grundlegenden Entscheidungen wie Lissaboner Vertrag etc. für unumgänglich, da man sonst den Eindruck gewinnt, dass die Politiker mit aller Gewalt gegen den Willen der Bürger etwas für Europa durchdrücken wollen auf Biegen und Brechen. Entweder haben die Politiker Angst oder sie haben sonst sehr gute Gründe, warum sie die Bürger nicht haben partizipieren lassen. Mangelnde Informationspolitik wäre hierbei ein anderes gute Stichwort. Ist der Technokratenapparat für dich in Brüssel und Straßburg transparent genug, damit du sagen kannst, alleine auf die Output-Legitimität kommt es an? Mit Input hat das überhaupt nichts mehr zu tun?
Viele Länder der EU haben ihre Bevölkerung über den Beitritt bzw. über Mechanismen abstimmen lassen, sowie über Änderungen am Lissabon Vertrag bzw. den Maastricht Kriterien.
Das Europa an einem Wendepunkt steht ist wohl allen Beteiligten klar und zumindest für mich ist ein Mehr an Europa die einzig wirkliche Option, die sich uns - gerade mit Blick auf Globalisierung - noch sinnvoll bietet. Einer VR China, den USA oder auch Russland steht ein loses Zweckbündnis einzelner Nationalstaaten in meinen Augen recht verloren gegenüber. Du brachtest den Punkt, jeder ist sich selbst der Nächste. Glaubst du jemand nimmt Rücksicht auf deutsche Befindlichkeiten im Naturschutz oder französische bei der Energiegewinnung?
Europa muß weiter zusammenrücken, dann selbstverständlich auch auf einem soliden Fundament. Die Nationalstaaten werden über kurz oder lang auf einen Teil ihrer Souveränität verzichten, für Deutschland heißt dies, dass auch das GG einige Änderungen erfahren muß und hier wird es nur mir einer Volksabstimmung gehen.
conquerer schrieb:
Man sollte solch komplexe Themen wie Finanz-/Makroökonomische Steuerung doch bitte den Nationalstaaten überlassen nicht versuchen durch den ESM jetzt versuchen einheitlich alles regeln zu wollen. Was stimmt die positiv, dass die ausgerufene "Stabilitätskultur" in der EU auch nur mehr als eine Woche bestand hat bevor sie schon wieder gebrochen ist?! Was soll eine Schuldenbremse in Spanien bei dieser Haushaltslage bringen? Wie oder woher sollen die Wachstumsimpulse kommen, um die 50% Jugendarbeitslosigkeit abzubauen, wenn nicht nur neue Schulden, wenn die Einnahmen so miserabel aussieht?
Die Kontrollmechanismen um den ESM hätte es in der Tat schon vor 10 - 20 Jahren geben müssen, ein Versäumnis, dass uns jetzt beinahe jeden Tag in der Presse vor Augen geführt wird. Und Griechenland zeigt doch sehr schön, wohin es führen kann, wenn solch komplexe Themen wie Finanz- /Makroökonomie in nationaler Verantwortung über Jahre hinweg schleifen gelassen werden. Auch ohne Europa hätte Griechenland irgendwann dem Bankrott gegenüber gestanden, denn auch ein souveräner, nur sich selbst verantwortlicher Staat, kann nicht bis in alle Ewigkeit neues Geld drucken. Gerade Deutschland weiß das und allein das Stichwort "Inflation" treibt unseren Ältesten noch heute die Panik ins Antlitz.
Griechenland, Spanien und oder auch Italien haben Wachstum auf Pump finanziert, schwaches Wirtschaftswachstum durch staatliche Subventionen kaschiert und wichtige Strukturreformen einfach verschleppt.
conquerer schrieb:
Ich glaube nicht, dass der ESM eine große Errungenschaft für die EU sein wird, sondern ein weiteres Konstrukt dieses Gebilde weiter voranzutreiben und man es natürlich versäumt oder weil man es auch überhaupt nicht im Schilde führt das gewaltige Demokratiedefizit auch nur Ansatzweise irgendwie abzutragen.
Wobei der ESM und ein etwaiges Demokratiedefizit zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Der ESM bietet der Gemeinschaft wirkungsvolle Instrumente um den Schlendrian einiger Mitglieder so früh wie möglich zu sanktionieren, denn eines haben wir wohl überdeutlich gelernt. Gut zureden hilft nie.
HansAn schrieb:
@Noxiel
Ich kritisiere nicht nur Deutschland sondern die ganze EU. Nein, eine direkte Demokratie könnte in der EU nicht funktionieren, weil die EU nur aus Hobbypolitikern und Funktionären besteht. Ausserdem setzt sich die EU immer neuere Ziele, Politikunion, WIrtschaftsunion, Währungsunion, Fiskalunion, Haushaltsunion, Militärunion, Länderunion, Grenzenunion... ja was wollen sie noch? Der nächste Schritt wäre dann wirklich die Vereinigten Staaten von Europa.
Mit solchen Aussagen machst du dich doch lächerlich HansAn. Hobbypolitiker und Funktionäre? Damit erntest du bei mir nicht mehr als ein paar müde Lacher. Ich wette du könntest aus dem Stehgreif nicht einmal einen einzigen Politiker mit Namen benennen, der im Europarat, -parlament oder -kommission sitzt.
Von neuen Zielen kann überhaupt niemand reden HansAn. Die Ziele der EU sind gemeinhin bekannt und frei im Vertrag über die Europäische Union nachzulesen.
HansAn schrieb:
Hast du die Macht dieses Vorhaben zu stoppen? Ich glaube kaum. Deshalb bin ich absolut gegen die ganze EU weil sie von den Bürgern unkontrollierbar ist.
Falls du es noch nicht mitbekommen haben solltest. Ich bin ein Pro-Europa Bürger und hege derzeit nicht den Wunsch etwas an der europäischen Integrität zu stoppen.
HansAn schrieb:
Der Unterschied zwischen Hitlers Machtergreifung und jener der EU ist gar nicht gross. Beide verkaufen sich als etwas, das sie gar nicht sind und versprechen etwas, das nie umgesetzt wird. Demokratie gab und wird es nie geben. Die EU hat kein Interesse daran, das Volk abstimmen zu lassen, weil sie befürchten müssen, dass ein Grossteil der Bürger die EU auflösen würde.
Du vergleichst wirklich gerade Hitlers Machtergreifung mit der EU Gründung. Ich bin baff. Und da fehlen mir irgendwo die Worte. Da kann ich nichts drauf erwidern.
HansAn schrieb:
Wieso besteht ein SWAT Team nicht aus 100 Leuten? Weil 5-6 Leute viel effizienter und koordinierter sind, als 100 von ihnen. Genau so funktionieren auch Kulturkreise. Jede Kultur arbeitet für sich viel effizienter als wenn man sie in fremde Kulturen steckt, wie es jetzt mit der Eurozone passiert. Europa ist nicht 1 Kultur, Europa hat viele Kulturen. Auch die Schweiz hat nicht nur 1 Kultur oder 1 Landessprache. Der Kern am Schweizer Zusammenhalt ist jedoch die Geschichte und der gemeinsame Erfolg. Was hat die EU bitteschön für eine Geschichte und einen Erfolg zu präsentieren? 20 Jahre bestehen? 20 Jahre Frieden innerhalb der EU? Irgendwelche Kriegen gewonnen? Mehr Demokratie? Ich sehe alles als gescheitert.
Und wieso besteht der Bundesgerichtshof nicht nur aus einem Richter, das deutsche Parlament nicht bloß aus 10 Politikern und überhaupt Deutschland aus 16 Bundesländern?
Die Europäische Geschichte kennt viele Erfolge, wovon du die meisten wohl überhaupt nicht wirklich wahrnimmst, weil sie schon selbstverständlich geworden sind. Viele Gesetze zum Verbraucherschutz gehen auf eine europäische Richtlinie zurück, ein konfliktfreier Kontinent nach zwei auf ihm ausgetragenen Weltkriegen, grenzenloses Reisen, Freizügigkeit innerhalb der gesamten EU etc pp.
HansAn schrieb:
Die einzige Lösung ist wirklich die nationale Unabhängigkeit und Souveränität, aber dennoch Zusammenarbeit mit anderen Ländern. Das was wir jetzt haben ist wie eine Heirat zwischen Freunden, die aber nur Freunde bleiben wollen und nicht mehr.
Glaubst du Deutschland könnte sich alleine gegen die wirtschaftlichen Interessen der Chinesen oder Amerikaner durchsetzen?