HAse_ONE schrieb:
Man kann's auch übertreiben...
So gut wie jeder der das Spiel wirklich gespielt hat, sagt dass die Story, ganz besonders von Phantom Liberty gut bis sehr gut ist.
Zu Phantom Liberty kann ich nichts sagen, da ich sicherlich nicht blind nochmal Geld hinwerfen werde, den Fehler mache ich nicht zweimal. Zur Story insgesamt kann ich mir ebenfalls kein finales Urteil erlauben, da ich mich wie gesagt nun schon in mehreren Versuchen sehr langsam durchquäle.
Was "jeder" sagt (stimmt ja auch nicht, es gab genug Kritik an der Story), hilft mir ja nicht weiter. Ich hab das Spiel ja für mich gekauft auf Basis von Versprechen, die hinten und vorne nicht gestimmt haben und viel Lobhudeleien von Fans, die offenbar vergessen haben (oder zu jung sind), dass wir mittlerweile 20 Jahre nach HL/Bioshock und Co. sind und auch selten ein Spiel so sehr den Bogen mit falschen Versprechen überspannt hat.
Der Punkt ist, dass halt schon der gesamte Start des Spiels storytechnisch eine reine Zumutung ist: Das fängt mit dem "Verschwenden" so ziemlich aller interessanten Charakter-Entwicklungen in dem berüchtigten Cut-Scene-Rückblick an. Das geht weiter mit völlig hölzern eingeführten Beziehungen, die keine Motivation für spielerisches Handeln liefern (und ihrerseits auch kaum auf dem aufbauen, was man als Spieler tut).
Das ist fast immer "Drama aus der Dose", ohne es wenigstens kurz in der Mikrowelle warmzumachen (siehe auch die Rettung der nackten Dame und das Trauma-Team, alles völlig holterdiepolter ... genauso geht es dann bei jedem anderen NPC-Encounter weiter ... "Jaja, ich mach schon, werter unbekannter Charakter XYZ" ... hab ich mir ein paar mal sehr entnervt gedacht) und wenigstens irgendwo mit ner Petersilie zu garnieren oder n Nachtisch zu liefern (um im Bilde zu bleiben).
Man kennt eigentlich niemanden, aber wird überall vom Spiel hineingeworfen als müsse es einen ganzganzdoll interessieren. Und man hat auch einfach nie eine echte Wahl, alles ist vorhersehbar, plump und auf Schienen.
Das, was in der Cut-Scene war, wäre der eigentliche Story-Arch (in drei verschiedene Richtungen) gewesen, der dem Spiel völlig fehlt.
HAse_ONE schrieb:
Und weil immer wieder der GTA Vergleich kommt. "Storybuilding" ist da ja soo toll und der ganze Gangstersprech und Fäkalsprache ist natürlich auch so viel cooler.
Den Vergleich habe ich nie gezogen, da GTA V tatsächlich ebenfalls an vielen ähnlichen Problemen krankt: Hemdsärmeliger Story-Aufbau, der Motivationen eben nicht nachvollziehbar aufbaut. Stattdessen wie in CP viele völlig beliebig rein geworfene Fetch-Quests als Story-Ersatz, denen man ohne eigene Motivation Folge leisten "muss".
Aber: Es ist in dem eher lockeren, Gangstersetting wenigstens in sich konsistent und bietet generell gut Möglichkeiten zum "Ausbrechen" und zum wirklichen Entdecken. Insgesamt war aber auch GTA V völlig überbewertet. Klar, eine technisch (für damals) extrem ausgereifte Sandbox, aber wirklich mitgenommen hat mich auch das nicht (ich war auch da eher genervt von irgendwelchen Idioten, die mir ohne nachvollziehbaren Grund im Spiel das Ohr abkauen und irgendwas von mir fordern). RDR2 war mMn insgesamt deutlich ausgereifter vom Storyaufbau her (wobei ich auch das noch fertig spielen muss), das hat schon weitaus mehr aus einem Guss gewirkt, da viel Liebe ins Detail geflossen ist und sich Zeit genommen wurde. Das fehlt generell in CP: Liebe fürs Detail und die nötige Geduld, um den Spieler in die Story reinzuholen.
Die ersten 10 Stunden in dem Spiel sind völlig verplempert, da jedes Story-Element im Stakkato und ohne Rücksicht auf den Spieler und sein Handeln rein gescriptet wird, statt wirklich das Gefühl zu geben, wirklich
seine Handlung zu
erleben (und damit eben seine emotionale Verbundenheit mit Charakteren vorangebracht zu haben). Das kann man recht easy mit kleinen Elementen realisieren, beispielsweise indem man verschiedene Handlungspfade für die Interaktion mit Jacky anlegt, aber am Ende ist es halt nur die immer gleiche Fassade ohne Tiefgang.
(Gegen-Beispiel aus Hades: Das Spiel etabliert Cerberus als den lieben Hund, den man aktiv kraulen kann und später hört man, dass er den Zugang zum Endboss versperrt. Der Spieler ist emotional dabei, sorgt sich vielleicht sogar, dass er doch eigentlich nicht gegen seinen dreiköpfigen Lieblings-Wuff kämpfen will. Doch dann die Auflösung, die auch noch witzig kommentiert wird. Simples Element, riesiger Effekt, um den Spieler emotional zu involvieren).
HAse_ONE schrieb:
Bei solchen Kommentaren, frag ich mich immer was derjenige denn als Spiel mit guter Story findet.
Standard-Beispiele: Hades, Disco Elyseum. Ansonsten Half-life, Bioshock, Mass-Effect 2 (ja, das hat auch Schwächen und einigen Leerlauf, aber das ist halt auch an die 15 Jahre alt) etc. Man muss es aber nicht so hoch ansetzen: ein wenig Witz und Originalität können auch in ner eher plumpen Story Wunder wirken, siehe Mortal Kombat oder Doom Eternal. Die sind einfach sehr gut inszeniert und haben ein Gespür für Timing und Spannungsbögen.
Bei CP bleibt viel zu viel Fassade. Eine große Welt nützt dir rein gar nix, wenn die Hälfte davon aus den immergleichen, recycleten Assets besteht, die Türen überall dicht sind, die NPCs/Gegner generisch und dumm sind (auch hier: 20 Jahre nach der FEAR-Reihe kriege ich Gegner-AI, die mitunter dümmer als Strogg-Guards aus Q2 sind).
HAse_ONE schrieb:
Die Sprache von CP2077 ist gewöhnungsbedürftig, das geb ich zu, find's aber jetzt nicht so schlimm und ich denke man hat sich da an die Vorlage gehalten.
Aber immerhin wissen wir jetzt, dass du die Twilight Bücher liest. 😜
Die Dialoge sind einfach nicht gut geschrieben und auch in vielen Fällen nur mittelmäßig eingesprochen. Die weibliche V soll wohl besser (und weniger "cringy") sein, aber das hilft ja nur bedingt bei den NPCs, die alle wie Schablonen wirken (auch eben aus dem oben genannten Grund, dass es keine echte Hinführung und Motivationsebene gibt). Es ist sicher kein Totalausfall (wie Control, auch so ein Spiel, wo ich mir völlig verarscht vorkam – das hatte ich immerhin im Bundle mit ner Graka gekriegt und nicht selbst bezahlt. Dort hätte man auch blinde Tauben texten lassen können und das Lipsync/Voiceacting war irgendwo auf spanischer Soap-Opera-Ebene angesiedelt). Aber trotzdem erwarte ich bei so einem Budget einfach mehr, auch hier einfach mal den direkten Vergleich zu nem kleinen Indie-Spiel wie Hades ziehen.
Nein, Twilight habe ich zum Glück nie komplett gelesen 😅 ich habe mir im Studium (Anglistik Nebenfach) mal interessehalber ein paar wenige Seiten zugemutet, um ein Gefühl für den Stil zu kriegen, da mit dem Lesehype rund um HdR und Harry Potter auch einiger Hype um die so "toll" geschriebenen Romane entstand. Case in point: Es gibt nichts, was nicht mit genügend Hype zu einem "jeder sagt, dass das so toll ist" gepusht werden kann. Es gibt ja auch genügend Leute, die Chart-Radio (oder was ein Algo so für die "Masse" so zusammenkrempelt) hören und das supi finden.
Ich habe mich aber immerhin durch die (vorherigen) Diskussionen hier im Forum wieder durchgerungen, dem Spiel eine zweite Chance zu geben. Dennoch finde ich es wichtig, dass man nach dem, was CDPR abgezogen hat, immer wieder den Finger in die Wunde legt und eben nicht unwidersprochen das Narrativ von "Meisterwerk, das am Anfang ein paar Bugs hatte" wuchern lässt, das war und ist schlicht nicht der Fall. Es ist schnöde Hausmannskost, die fancy mit RTX-Garnierung und viel Vorschusslorbeeren serviert wurde, mehr nicht.