Vorwort: Ich bin mitnichten vom Automobil-Fach, mein diesbezügliches "Wissen" ist spärlichst und überwiegend zusammengeklaubt aus den inhaltlich wertvollen Posts, die man auf Motor-Talk finden kann (ja, das geht
).
Ich denke nicht, dass bei Daimler vorwiegend Idioten arbeiten. Und im Artikel steht auch "nur", dass ein "neues OS für das komplette Fahrzeuge" entworfen und entwickelt werden soll.
In IT-Duktus geht es also offensichtlich um eine neue IT-Integrationsarchitektur. Das klingt sinnvoll. Und Entkopplung als Ansatz klingt nicht weniger sinnvoll. Ich sehe darin überhaupt nichts Verwerfliches, eher im Gegenteil. Dazu später mehr.
Nach meiner Einschätzung ist die Motivation allerdings weniger eine technische - also getrieben vorwiegend von Ingenieuren/Technikern, die einen solchen Schritt vermutlich schon sehr viel länger wünschen - sondern von den Ökonomen (hier oft geziemt als BWler, Erbsenzähler, Controller etc.). Also genau jenen, die sich nach meinem Empfinden einer derartigen Investition bisher widersetzt haben.
Das Zukaufen von "Black-Boxen" von abhängigen Zulieferern war vermutlich einfach billiger. Den für Kunden bestehenden Nachteil einer viel zu langen Generationszeit bzw. mäßigen Implementierung hat man in billigend Kauf genommen, wohl wissend, dass diese Kunden sich zwar immer lautstärker beschwerten, aber schlussendlich in der Mehrzahl immer noch gekauft oder geleast hatten.
Dieser Zug scheint mir aber definitiv abgefahren zu sein.
In den "alten", ehemals angestammten Märkten schwindet die Bedeutung des hochpreisigen KFZs als Statussymbol, die nachwachsenden Generationen betrachten es wieder verstärkt als Transportmittel. In den "neuen", kaufkräftigen Märkten bleibt die Bedeutung als Statussymbol zwar erhalten, aber die Offenheit für technische Neuerungen ("Gimmicks") ist nicht nur größer, diese sind wichtige Differenzierungskriterien im Markt geworden. Zudem wird, unabhängig von der/den zukünftig vorherrschenden Antriebstechnologie/n, die Wertschöpfung immer stärker über Software erfolgen.
Und alleine deswegen würde ich als verantwortlicher Manager (heißt beim Daimler: > 50 Gremien + viele Umfragen bei Kunden - ausgenommen der Fahrer
), genau diesen Ansatz durchzusetzen versuchen.
Das muss man nicht (immer) gut finden, ich kann aber darin durchaus auch für einen "Konservativen" sinnvolle Optionen erkennen.
Beispiele:
Ich fände es eine begrüßenswerte Option, wenn ich zukünftig zu vertretbarem Preis nachträglich aus einer einfachen 2-Zonen Klimaanlage zumindest eine 3-Zonen Light-Version machen könnte. Fehlende Hardware wie Ausströmer in den B-Säulen wären dadurch natürlich weiterhin nicht nachrüstbar, aber eine 3. Temperaturzone mit Steuerung am digitalen vorderen Armaturenbrett sicherlich. Ich muss es ja nicht nutzen, könnte es aber bei Bedarf im Gegensatz zu Heute.
Das gleiche gilt für DAB+. Warum kann ich die Option nicht nachträglich dauerhaft freischalten? Zumindest habe ich gelesen, dass die Hardware dafür aus Kostengründen heutzutage bei der Mehrzahl der Hersteller sowieso schon mit an Bord sei (wie bei vielen anderen Optionen auch - Stichwort beheizbare Außenspiegel).
Entscheidend wird sein, ein in der Mischkalkulation überzeugendes Preismodell zu finden: Es muss aus Unternehmenssicht
in der Summe für die Mehrzahl der Kunden überzeugend sein. Dann machen sie mit.
Persönliche Analogie:
- Adobe: Die haben mich verloren. Als "nur Lightroom-Nutzer" gibt es keinen überzeugenden Abo-Preis, die zusätzlichen Rahmenbedingungen (Rechte am in der Cloud gespeicherten Content) waren mein Sargnagel.
- Office 365: Office + 1 TB Cloud-Speicherplatz zu bisher durchschnittlich 3,75 EUR/Monat zahle ich gerne.
Daher: Abwarten, was da kommt. Erst dann werde ich meine Meinung festigen.