@ScottytoHotty
HRTF heißt "Head-Related Transfer Function" und beschreibt im Wesentlichen den Einfluss des menschlichen Körpers im Schallfeld. Durch den Widerstand des Kopfes und die Form der Ohren werden richtungsabhängig gewisse tonale und zeitliche Veränderungen des Schalls erkennbar. Dieses Profil kann man messen und auch auf Kopfhörer anwenden. Generelle Probleme dabei: Die Färbung des Kopfhörers ist unbekannt, ebenso wie deine eigene HRTF gegenüber dem generischen Modell des Anbieters eine Unbekannte ist. Per Prinzip muss man also schon einmal viel rumprobieren, wenn man wirklich Anspruch an eine gelungene Surrounddarbietung stellt.
Dann zur Praxis:
Manche Spiele erlauben es, die eigene Surroundberechnung im Spiel um eine externe HRTF-Berechnung zu erweitern. Je nach dem, wie die Engine gestrickt ist, ist das mal mehr, mal weniger sinnvoll. Manche Spiele berücksichtigen bereits weitergehende Features einer HRTF. Manche bieten 7.1 systemseitig zwar an, ordnen die dafür anfallenden Kanäle in der Engine aber falsch zu. Beispiel: Deep Rock Galactic gibt zwar Surround-Kanäle ans System weiter, auf die man eine HRTF-Simulation anwenden könnte. Die Schallquellen im Spiel sind von den Entwicklern allerdings nicht durchgehend so angelegt, dass sie ihre Position auf den richtigen Surroundkanal ausgeben. Wenn man darauf dann eine Surround-Simulation anwendet, erhält man ein diffuses Kuddelmuddel, bei dem Waffensounds zum Teil nur auf dem linken Ohr wiedergegeben werden oder manche Geräusche beim Drehen der Spielfigur einfach abrupt abgeschnitten werden. Nicht desto trotz gibt es Seiten, die dem Spiel vollwertigen Surroundsupport attestieren!
Worauf ich hinaus will: Die Materie ist zum Teil deutlich komplexer, als es das heilsbringende Marketing vieler Anbieter vermuten lässt. Wenn eine Surroundsoftware einen tatsächlichen Nutzen bringen soll, dann müssen einige technische Kriterien auf Seiten des Spiels aber auch auf Seiten des Nutzers erfüllt sein. Die meisten Anwendern sind sich dieser Dinge nicht bewusst, weshalb sie das Potenzial der Technik nur bedingt bis gar nicht ausschöpfen. Wenn man ein Surroundsystem falsch anwendet, dann bekommt man im Wesentlichen nur einen klangfärbenden EQ und eine diffuse Hallsimulation. Manchen reicht das seltsamerweise schon, um den Nutzen dieser Technik bestätigt zu sehen. Wenn sie dann auf Anraten der Community zu Stereo zurückkehren, fallen alle Effekte, an die sie sich bereits gewöhnt haben und mit der sie auch bei der Ortung irgendwann umgehen können, weg. Das ist im ersten Moment immer irgendwie befremdlich, weshalb dann vorschnell beschlossen wird, dass es mit diesen Effekten doch irgendwie besser ist.
Es ist trotz dieser Fallstricke überhaupt nicht ausgeschlossen, dass Virtual Surround beim Gaming mit Kopfhörern funktionieren kann. Es spricht auch nichts dagegen, sich einfach mal
HeSuVi herunterzuladen und einige HRTFs auszuprobieren. Ich möchte jedoch dazu anregen, sicherzustellen, ob die technische Kompatibilität überhaupt gegeben ist. Denn eins ist sicher: Unbearbeitetes Stereo ist im Zweifel immer besser als fehlerhaft umgesetztes Surround.