Interessant, dass zu diesem Thema immer noch Feedback kommt.
mgutt schrieb:
Du hast eine wichtige Komponente in deiner Berechnung vergessen und das ist die Zeit. Und die ist sehr wichtig, weil genau deswegen T-Prozessoren keinen Sinn ergeben
Die habe ich nicht vergessen, ich habe nur anscheinend die drei Hauptgründe für cTDP nicht hinreichend motiviert:
- Der erste Grund ist die Dimensionierung der TDP für eine bestimmte Kühlungslösung. Das habe ich hier in einem der Posts mit dem Thema HTPC angesprochen. Teilweise hat man kleine Gehäuse, wo die Leistung des Kühlsystems begrenzt ist. Das ist dann äußerer Zwang zu beschränkter TDP. In diesem Fall ist der Verbrauch nicht so wichtig, sondern eher die Abwärme.
- Oder man will als Benutzer einfach, dass es bei einem gewählten Kühler ultraleise bleibt. Dann kann man mit cTDP sicherstellen, dass eine bestimmte Verlustleistung nicht überschritten wird. In diesem Fall ist ebenfalls der Verbrauch nicht so wichtig, sondern eher die Abwärme.
- Der dritte Grund ist der Wunsch nach einem System mit maximaler Effizienz ("Sweet Spot"). Dabei will man die Performance pro Watt maximieren. Das ergibt natürlich nur dann wirklich einen Sinn, wenn Strom teuer ist und man den Rechner dann für lange Zeiträume auf voller Last betreibt.
Problematisch wird es, wenn man nur selten Last hat, aber dennoch der Rechner ewig lange mit Schwachlast aktiv ist. Dann muss man natürlich den Verbrauch als Mittelwert auf Last und Idle ermitteln, und dann wird es zunehmend schwerer, noch einen Vorteil für die TDP-Begrenzung zu finden. Den gibt es dann eher im Vergleich zu Extrem-Overclocking, denn die paar Prozent, die man dann bei teilweise 300 Watt Stromverbrauch nur von der CPU noch dazu gewinnt, kosten einfach zu viel.
Die genannten T-Prozessoren ergeben nur für den ersten Fall einen Sinn, da sie unterhalb des Sweet Spots betrieben werden. Diese sind ausschließlich für Small-Form-Factor-Probleme gedacht. Die S-Prozessoren ergaben früher so gut wie keinen Sinn, weil ihr Realverbrauch kaum niedriger als der bei den Varianten ohne Buchstabenzusatz lag. Heute fehlen sie allerdings. Warum?
Intel
Inzwischen ergibt sich die Situation, dass insbesondere bei Intel Prozessoren im Portfolio fehlen. Es gibt zwar einen i7-8700T für den ersten Fall, aber keinen i7-8700S, und der normale i7-8700 ist auf den meisten Boards eben kein 65W-Prozessor, sondern verbraucht genau so viel wie der i7-8700K. Damit hat man keine sinvolle Auswahl unterhalb der CPU, die 120W verbraucht und dabei einige Kühler sehr laut macht. Es gibt also keine Angebote für den zweiten Fall.
Man hat mit dem i7-8700 einen Prozessor, der seinen Boxed-Kühler auf 100°C erhitzt und dann bei starker Last in die thermische Drosselung kommt. Selbst kleinere Tower-Kühler können dann sehr laut werden. Noch schlimmer ist es beim i9-9900K, der sich als CPU mit bis zu 200W Verbrauch entpuppt, wenn man den auf einem Mainboard aus dem Einzelhandel verbaut. Geht man dann allerdings ins UEFI und stellt es so ein, wie es sein soll (Long Duration Power Limit auf 95W, Short Duration Power Limit auf 199W, Short Duration Time Limit auf 8 Sekunden), erhält man auch beim 9900K eine mit durchschnittlichem Towerkühler gut ultaleise kühlbare CPU, die kaum langsamer ist.
Das Problem ist also eher, dass die Prozessoren auf den Boards nicht so arbeiten, wie Intel das eigentlich vorgesehen hat. Das erschwert dann ultraleisen Betrieb, und das kann man mit Power Limits korrigieren.
AMD
Bei AMD wiederum gibt es zwar 65W-Varianten, die sich sogar (sehr, sehr grob, es geht real bis 88W) an diese Ansage halten, aber die zeigen dann teilweise ein so eventuell nicht gewolltes Boost-Verhalten. Der R7-2700 kommt zum Beispiel beim Single Core Boost nicht ganz so hoch wie der R7-2700X, und bricht bei mehreren aktiven Threads sehr schnell ein. Die Boost-Kurve
erinnert eher an Ryzen 1000 als an Ryzen 2000. Der R7-2700 ist damit zwar sehr leicht ultraleise kühlbar, aber dabei dann mit teilweise 600-700 MHz niedrigerem Takt doch zu deutlich langsamer als der R7-2700X. Der 2700X darf hingegen bis zu 142W verbrauchen, und das ist dann wieder der Bereich, wo nicht jeder Tower-Kühler einen ultraleisen Betrieb ermöglicht. Hier kann dann die cTDP dabei helfen, das zu optimieren.
mgutt schrieb:
Du gehst z.B. davon aus, dass der Idle bei Last und in der Ruhephase identisch ist. Das stimmt aber nicht, weil ja viele Komponenten auf dem Mainboard schlafen gehen, wenn die Arbeit erledigt ist.
Einen "Idle bei Last" gibt es nicht, denn Idle ist das Fehlen von Last. Ich vermute, du meintest Idle in zeitlicher Nähe zu Lastsituationen. Das unterscheidet sich allerdings nicht so sehr von langen Idle-Phasen. Das VRM und die CPU kühlen zwar ab, aber damit geht kaum ein weiter sinkender Verbrauch einher. Als Ausnahme kann man noch parkende Festplatten betrachten, was dann nochmals ein paar Watt bringt, aber das lasse ich hier extra außen vor.
Bei AMD-Prozessoren wird eher umgekehrt ein Schuh daraus: Last nach kurzer Idle-Phase unterscheidet sich von Last nach langer Idle-Phase hinsichtlich der Performance. Wenn man nicht lange genug zwischen Messungen wartet, dann sorgen die höheren Ausgangstemperaturen für eine geringere Performance, weil man schneller wieder den Punkt erreicht, wo SenseMI abregelt.