L.A. Rush (X-Box, PS2)
Der ganze Arcade-Racer-Markt wird von 3 Spielen beherrscht. NFS:Underground, Burnout, Midnight Club. Der ganze? Nein, ein kleines Team von Programmierern leistet Widerstand gegen die Vorherrschaft der Röm..ähhh gegen Electronic Arts.
So oder so ähnlich müssen jedenfalls die Programmierer von L.A. Rush gedacht haben. Und die drei genannten Spiele wohl sehr ausgiebig gespielt haben. Dabei haben sie hemmungslos das beste aus allen drei Welten geklaut und wollen nun auch ein Teil des Kuchens vom grassierenden Tuning-Racer-Wahn.
Also nur noch eine weitere Kopie? Mitnichten, den hier kommt mein absoluter Geheimtipp:
Als König der illegalen Strassenrennszene werdet ihr von eurem Erzrivalen zu einem Tunier herausgefordert. Dumm nur, dass dieser von Fairplay nichts hält. Und so klaut er euch kurzerhand Haus, Frauen und das wichtigste: eure Autos! Um nicht als Looser dazustehen, müsst ihr euch wieder hocharbeiten und vor allem: Ihr wollt eure Karren zurück!
Soweit die Rahmenhandlung. Nichts weltbewegendes, aber in hübschen Cutszenen erzählt.
Was dieses Spiel aber wirklich ausmacht, ist die überaus gelungene Aufmachung: Ihr dürft zwischen den Rennen frei mit 35 Orginal-lizenzierten Wagen in einem sehr aufwändig nachgestalteten L.A. umherfahren. Und anders als bei NFS:U oder Midnight Club sogar bei Tag. Der Clou ist dabei aber, das hier Tageszeiten simuliert werden. So gibt es schön animierte Sonneuntergänge und plötzlich muss man dreimal hinschauen, um sicher zugehen noch L.A. - Rush zu spielen: Es sieht bei Nacht (mit Absicht?) 1:1 aus wie NFS:U Underground. Dabei ist die Grafik für eine so grosse Nachbildung von L.A. aussergewöhnlich gut. Grosse Weitsicht, keine PopUps, Spiegeleffekte - die Grafik braucht sich nicht vor dem Platzhirsch NFS:Undergrund zu verstecken (X-Box Version, k.A. wie es mit der PS2-Version aussieht).
Was macht denn nun aber das Spiel anders als die anderen?
Der Grossteil der Rennen ist klar an Midnight-Club orientiert. Es werden auf einer Strecke Checkpunkte abgefahren. Künstliche Streckenbegrenzungen wie in NFS:Underground gibt es nicht. Und weil es in einer frei befahrbaren Stadt trotzdem irgendwie etwas witzlos ist Checkpunkte abzufahren, gibt es sogenannte Querfeldein-Rennen. Start und Ziel ist vorgegeben - Wie ihr dahinkommt ist ganz allein euere Sache. Soweit ist das aber nichts neues. Abwechlsung bieten da die Beschaffungsmissionen und Stunt-Fahrten. In den Beschaffungsmissionen müsst ihr eure geklauten Autos wieder zurückholen: Leichter gesagt als getan. Der Erzrivale hat komischerweise was dagegen und so werdet ihr von fünf Gegner verfolgt, die nur eins im Sinn haben: Euch in Grund und Boden zu Rammen! Je nach dem, in welchem Zustand ihr euer Fahrzeug nach Hause bringt, müsst ihr für die Reperatur dann löhnen. Je höher der Schaden, desto höher der Geldbetrag für die Reperatur. Schaden? Ja richtig. Denn es gibt ein sehr hübsches Schadensmodell, was weit über ein paar Lackkratzer oder verbeutelte Stosstangen hinausgeht. Da können Midnight-Club und NFS:Underground nicht mal im Ansatz mithalten. Ledeglich Burnout bietet mehr verbeueltes Blech pro gefahrenen Kilometer - allerdings auch keine Orginal-Fahrzeuge.
Blech ist das Stichwort: Es gibt Verkehr in L.A. Oh, Wunder, ist ja auch eine Stadt. Ich rede aber nicht von ein paar armseligen Texturklötzen wie in NFS:Underground. Ich rede von Grossstadtverkehr. Was L.A. Rush hier im wahrsten Sinne des Wortes auffährt, ist schon fast zu viel des Guten. Die Strassen sind regelrecht voll von Autos, dagegen wirkt GTA oder Midnight-Club schon fast unbewohnt. Und wenn es denn mal zu einem der vielen unvermeidlichen Zusammenstösse kommt: In einer filmreifen SlowMo-Sequenz mit derbe vielen Partikeleffekten sieht man sein getuntes Schmuckstück in 1000 Teile zerfliegen. Ein Crash passiert hier nicht einfach, er wird reglerecht zelebriert. Mag ab und an vielleicht nerven, ändert aber nichts daran das es fantastisch aussieht.
Ah... Unfälle, Reparieren, Tunen? Jau, der unvermeidliche Proll-Faktor ist auch hier wieder dabei. Und kein geringerer als West Coast Customs nimmt sich eurer Autos an. Stilecht, ganz in der Tradition der bekannten "Pimp My Ride" Show von MTV, wird in einer kleinen Cutszene euch euer neues Auto vorgeführt. Kleiner Gag am Rande: In dem Spiel lassen sich eigene Soundtracks einbinden. Auf diese habt ihr aber erst nach den Tuningmassnahmen von WCC zugriff - schliesslich gibt so ein olles Standard-Radio nicht viel her. Als Nachteil mag manch einer empfinden, dass man selber nicht an den Autos herumschrauben kann. Wirklich stören tut das aber nicht, da die Karren nach den Tuningmassnahmen nur selten den Wunsch aufkommen lassen, erneut daran herumzuschrauben.
Den krönenden Abschluss bildet ein Feature, was irendwie bei NFS.Underground abhanden gekommen ist. Ihr fahrt ja immerhin illegale Strassenrennen. Das mag die Polizei aber gar nicht. Und so habt ihr während der Rennen auch noch die Cops am Hals. Da geht es richtig zur Sache, denn die Herren in Blau wollen euch gerne verhaften. Dazu gibt es eine aus GTA geklaute Anzeige, wie hoch euer Fahndungslevel ist. Je höher der Level, desto höher das Bußgeld, wenn sie euch erwischen. So heisst es also Gas geben: Cops am Hals, Renngegner vor sich und mittendrin in der Rush-Hour von L.A. Das ganze bei einem Tempo, was arg an Burnout erinnert.
So ist es nicht verwunderlich, dass der Schwierigkeitsgrad nicht ohne ist. Aber die Entwickler haben mitgedacht. Einmal lässt sich so ziemlich alles umbrettern was im Weg steht: Zäune, Ampeln, Lampen, eigentlich fast alles. Steht was da, kann es auch umgebügelt werden. Bei Bäumen hat man zu einem Kunstkniff gegriffen: auch wenn man frontal gegenknallt: Das Auto wird mit etwas Geschwindigkeitsverlust sanft drumherum"gesetzt". Das ist im ersten Moment etwas komisch, vermindert aber Frusterlebnisse.
Tja, natürlich hab ich etwas zu meckern. Neu und orginell ist der Spieleinhalt nicht. Aber immer noch besser gut geklaut als schlecht selber gemacht. Auch der Multiplayermodus ist mager geraten, hier liegen NFS:Underground und Midnight-Club deutlich vorne. Der Motorensound ist auch nicht hitverdächtig, der wird aber meistens eh durch die Sirenen der Cops übertönt.
Sei's drum: 8/10 Punkten.