Hallo zusammen,
Nach dem großen Aufschrei zu Artikel 13 im Frühling letzten Jahres ist es schon kurz nach dem Beschluss durch das EU-Parlament wieder relativ ruhig um das Thema geworden. Ich schätze sogar, dass den Meisten gar nicht bewusst ist, dass vor einigen Tagen ein Vorschlag des Justizministeriums als Diskussionsgrundlage vorgelegt wurde der, natürlich entgegen des Koalitionsvertrags, Uploadfilter vorsieht. Bevor jetzt aber gleich wieder die Mistgabeln rausgeholt werden hier gleich der Hinweis: Nach aktuellem Stand (und meinem Verständnis) nur für die Big Player.
Außerdem sei bereits hier erwähnt, dass das Bundesministerium dazu aufruft Konstruktive Kritik und vorschläge einzureichen. Schließlich ist es bisher ja nur eine Diskussionsgrundlage. Und genau das würde ich auch gerne hier anregen: Eine sachliche Diskussion bei dem ggf auch die CB Redaktion mal ihren Standpunkt (und ob sie nach aktuellem Entwurf, davon ausgehen überhaupt nennenswert betroffen zu sein) darlegen.
Zur Diskussion gehören natürlich auch Fakten, über die man Diskutieren kann: Daher verlinke ich hier mal den ca 100 Seiten Vorschlag sowie die 6 Seitige Zusammenfassung der Eckpunkte des Bundesjustizministeriums. Wer sich lieber in Videoformat informieren möchte dem kann ich Julia Redas Beitrag (oder ihren Heise Artikel*) durchaus ans Herz legen.
Mein Persönlicher Eindruck ist: Es hätte deutlich schlimmer aussehen können, und ich hätte es auch ehrlich gesagt schlimmer erwartet. Das SPD geführte Ministerium hat aber in seinem Vorschlag einige Ermessensspielräume recht weit im Sinne der Nutzer und andere im Sinne der Künstler ausgechöpft. Nach meiner Einschätzung dürften sich vor allem die Big Player (Google, Twitch, TicToc o.ä.) und vielleicht auch die Verwertungsgesellschaften darüber ärgern.
Okay aber jetzt mal ein bisschen ins Detail die (meiner Meinung nach interessantesten Punkte):
1. Uploadfilter sollen nur von den Großen eingesetzt werden müssen, die mit Bezahlservices in direkter Konkurrenz (Netflix, AmazonPrime,Spotify o.ä) sind. Damit müssten (nach meinem Verständnis) jede Art von Forum/Diskussionsplattform relativ leicht aus der Verantwortung herauskommen. Die Frage ist andererseits aber natürlich auch. Ob zb. CB mit anderen Tech-Zeitschriften (als Bezahlmodell) in konkurrenz steht und somit wieder unter die Regel fallen würde.
2. Eine Plattform muss versuchen Lizenzen für Urheberrechtlich geschütztes Material zu erwerben. ABER nur für Inhalte die üblicherweise auf der einzelnen Plattform zu finden sind. So müsste sich z.B. Youtube- an Musik und Video- (ggf Bilder-) Vertwertungsgesellschaften wenden, Twitter müsste wohl nur mit Text-Verwertungsgesellschaften Verhandlungen führen und Instagramm sich nur um Lizenzen für Bilder kümmern.
3. Es gibt eine Bagatellgrenze bei nichtkommerzieller Nutzung die 20sek Urheberrechtlich Geschützen Videos/Musik und bis zu 1000 Zeichen* eines Textes zulässt. Auch für Bilder gibts eine Bagatellgrenze, wobei die mit 250kb Bildgröße recht knapp ausfällt. Technisch gesehen sind damit dann Memes (die nicht größer als 250kb sind) völlig legal für private Zwecke zu nutzen und für Forenavatare sollte es in der Regel reichen. Die Begrenzungen gelten dabei für jedes einzelne Werk, was Zusammenschnitte verschiedener Werke ermöglichen sollte solange jedes einzelne Werk nicht über die Grenzen kommt. Die Künstler sollen dabei nicht leer ausgehen. Der Diskussionsvorschlag sieht vor, dass die Plattformen diese Nutzung, ähnlich der Leermedienabgabe vergüten müssen.
4. Die Künstler bekommen einen Direktvergütungsanspruch, den sie aber (wenn ich das Richtig verstanden habe) nur über ihre Verwertungsgesellschaften geltend machen können. Das die Verwerter die Ansprüche durchsetzen, von denen sie dann letztlich nix bekommen, sehe ich aber irgendwie nicht kommen. Ich fürchte, dass dieser Paragraph noch nicht durch die Lobby von Springer und Gema gegangen ist.
5. Bei Plattformen die letztlich doch zu Uploadfiltern gezwungen werden soll es Funktionen geben, die Overblocking verhindern sollen. Wie gut das letztlich jedoch funktioniert bleibt aber Abzuwarten. Grundsätzlich sollen Uploads vom Uploader geflaggt werden, dass sie sich an die Urheberrechtsbestimmungen halten. Dann soll erstmal kein Uploadfilter zum einsatz kommen. Ausnahme (und hier wirds meiner Meinung nach verwirrend) wenn es sich um offensichtliche Verstöße handelt. Als Beispiel wird hier angeführt wenn über 90% des Uploads aus fremdem Urheberrechtlich geschützen Material besteht. Also muss ja dann doch wieder ein Filter drüberlaufen, der darauf Prüft, oder?
6. Aber auch für Content Creator auf Plattformen die Uploadfilter einsetzen müssen gibt es, meiner Meinung nach, positive Seiten: Anfechtungen eines Geblockten Inhalts sollen binnen einer Woche gelöst werden und sowohl die Plattform als auch Verbraucherschutzorganisationen sollen gegen Verwerter die unrechtmäßige Copyright ansprüche Stellen vor Gericht gestellt werden können. Welche auswüchse das dann annimmt, bleibt wohl Abzuwarten und auch hier schätze ich, dass die Verwerter noch gerne ein Wörtchen mitreden wollen, denn soweit ich das überblicken kann ist es derzeit eine übliche Masche diverser Verwertungsgesellschaften Inhalte auf Youtube zu Claimen obwohl sie keinerlei Recht dazu haben. Und bisher lässt Youtube das problemlos zu.
Letztlich hoffe ich, dass dieser Vorschlag, an einigen Ecken nochmal abgerundet wird und an anderen Stellen nicht zu sehr von diversen Lobbies verwässert wird. Ich denke, dass der Vorschlag ohne die Proteste Anfang letzen Jahres deutlich anders ausgefallen wäre und schätze dass vor allem die Ängste der Nutzer zumindest bei der SPD angekommen sind. Somit haben wir uns, obwohl wir das eigentliche Ziel der Demos, den Beschluss der Reform im EU-Parlament und EU-Rat zu verhindern, verfehlt haben, genug Gehör verschafft, dass der Diskussionsentwurf nicht nur die Handschrift der Lobbies trägt. Alles in allem finde ich den Vorschlag relativ brauchbar, auch wenn ich mir große Sorgen um Livestreams mache. Ob Twitch unter diesen Regeln in Deutschland weiterhin seinen gewohnten Dienst anbieten kann, muss wohl die Zukunft zeigen. Vielleicht schaffen es die Plattformen zu argumentieren, dass es für Livestreams keine direkte Bezahl-Konkurrenz gibt, andererseits währe es wohl unfair, wenn jemand problemlos im Livestream urheberrechtlich geschütztes Material zeigen dürfte, was dann erst als Video on Demand auf Verstöße gefiltert wird. Hat dazu vielleicht noch jemand weiterführende Informationen?
Was sind eure Gedanken und Meinungen zu dem Thema? Wenn ihr dem Ministerium eure Vorschläge unterbreiten wollt ist hier die dazugehörige Adresse: konsultation-urheberrecht@bmjv.bund.de
Ich freue mich auf eine Sachliche Diskussion,
gruß
Pyrukar
*Danke an @SE. für die Hinweise
Nach dem großen Aufschrei zu Artikel 13 im Frühling letzten Jahres ist es schon kurz nach dem Beschluss durch das EU-Parlament wieder relativ ruhig um das Thema geworden. Ich schätze sogar, dass den Meisten gar nicht bewusst ist, dass vor einigen Tagen ein Vorschlag des Justizministeriums als Diskussionsgrundlage vorgelegt wurde der, natürlich entgegen des Koalitionsvertrags, Uploadfilter vorsieht. Bevor jetzt aber gleich wieder die Mistgabeln rausgeholt werden hier gleich der Hinweis: Nach aktuellem Stand (und meinem Verständnis) nur für die Big Player.
Außerdem sei bereits hier erwähnt, dass das Bundesministerium dazu aufruft Konstruktive Kritik und vorschläge einzureichen. Schließlich ist es bisher ja nur eine Diskussionsgrundlage. Und genau das würde ich auch gerne hier anregen: Eine sachliche Diskussion bei dem ggf auch die CB Redaktion mal ihren Standpunkt (und ob sie nach aktuellem Entwurf, davon ausgehen überhaupt nennenswert betroffen zu sein) darlegen.
Zur Diskussion gehören natürlich auch Fakten, über die man Diskutieren kann: Daher verlinke ich hier mal den ca 100 Seiten Vorschlag sowie die 6 Seitige Zusammenfassung der Eckpunkte des Bundesjustizministeriums. Wer sich lieber in Videoformat informieren möchte dem kann ich Julia Redas Beitrag (oder ihren Heise Artikel*) durchaus ans Herz legen.
Mein Persönlicher Eindruck ist: Es hätte deutlich schlimmer aussehen können, und ich hätte es auch ehrlich gesagt schlimmer erwartet. Das SPD geführte Ministerium hat aber in seinem Vorschlag einige Ermessensspielräume recht weit im Sinne der Nutzer und andere im Sinne der Künstler ausgechöpft. Nach meiner Einschätzung dürften sich vor allem die Big Player (Google, Twitch, TicToc o.ä.) und vielleicht auch die Verwertungsgesellschaften darüber ärgern.
Okay aber jetzt mal ein bisschen ins Detail die (meiner Meinung nach interessantesten Punkte):
1. Uploadfilter sollen nur von den Großen eingesetzt werden müssen, die mit Bezahlservices in direkter Konkurrenz (Netflix, AmazonPrime,Spotify o.ä) sind. Damit müssten (nach meinem Verständnis) jede Art von Forum/Diskussionsplattform relativ leicht aus der Verantwortung herauskommen. Die Frage ist andererseits aber natürlich auch. Ob zb. CB mit anderen Tech-Zeitschriften (als Bezahlmodell) in konkurrenz steht und somit wieder unter die Regel fallen würde.
2. Eine Plattform muss versuchen Lizenzen für Urheberrechtlich geschütztes Material zu erwerben. ABER nur für Inhalte die üblicherweise auf der einzelnen Plattform zu finden sind. So müsste sich z.B. Youtube- an Musik und Video- (ggf Bilder-) Vertwertungsgesellschaften wenden, Twitter müsste wohl nur mit Text-Verwertungsgesellschaften Verhandlungen führen und Instagramm sich nur um Lizenzen für Bilder kümmern.
3. Es gibt eine Bagatellgrenze bei nichtkommerzieller Nutzung die 20sek Urheberrechtlich Geschützen Videos/Musik und bis zu 1000 Zeichen* eines Textes zulässt. Auch für Bilder gibts eine Bagatellgrenze, wobei die mit 250kb Bildgröße recht knapp ausfällt. Technisch gesehen sind damit dann Memes (die nicht größer als 250kb sind) völlig legal für private Zwecke zu nutzen und für Forenavatare sollte es in der Regel reichen. Die Begrenzungen gelten dabei für jedes einzelne Werk, was Zusammenschnitte verschiedener Werke ermöglichen sollte solange jedes einzelne Werk nicht über die Grenzen kommt. Die Künstler sollen dabei nicht leer ausgehen. Der Diskussionsvorschlag sieht vor, dass die Plattformen diese Nutzung, ähnlich der Leermedienabgabe vergüten müssen.
4. Die Künstler bekommen einen Direktvergütungsanspruch, den sie aber (wenn ich das Richtig verstanden habe) nur über ihre Verwertungsgesellschaften geltend machen können. Das die Verwerter die Ansprüche durchsetzen, von denen sie dann letztlich nix bekommen, sehe ich aber irgendwie nicht kommen. Ich fürchte, dass dieser Paragraph noch nicht durch die Lobby von Springer und Gema gegangen ist.
5. Bei Plattformen die letztlich doch zu Uploadfiltern gezwungen werden soll es Funktionen geben, die Overblocking verhindern sollen. Wie gut das letztlich jedoch funktioniert bleibt aber Abzuwarten. Grundsätzlich sollen Uploads vom Uploader geflaggt werden, dass sie sich an die Urheberrechtsbestimmungen halten. Dann soll erstmal kein Uploadfilter zum einsatz kommen. Ausnahme (und hier wirds meiner Meinung nach verwirrend) wenn es sich um offensichtliche Verstöße handelt. Als Beispiel wird hier angeführt wenn über 90% des Uploads aus fremdem Urheberrechtlich geschützen Material besteht. Also muss ja dann doch wieder ein Filter drüberlaufen, der darauf Prüft, oder?
6. Aber auch für Content Creator auf Plattformen die Uploadfilter einsetzen müssen gibt es, meiner Meinung nach, positive Seiten: Anfechtungen eines Geblockten Inhalts sollen binnen einer Woche gelöst werden und sowohl die Plattform als auch Verbraucherschutzorganisationen sollen gegen Verwerter die unrechtmäßige Copyright ansprüche Stellen vor Gericht gestellt werden können. Welche auswüchse das dann annimmt, bleibt wohl Abzuwarten und auch hier schätze ich, dass die Verwerter noch gerne ein Wörtchen mitreden wollen, denn soweit ich das überblicken kann ist es derzeit eine übliche Masche diverser Verwertungsgesellschaften Inhalte auf Youtube zu Claimen obwohl sie keinerlei Recht dazu haben. Und bisher lässt Youtube das problemlos zu.
Letztlich hoffe ich, dass dieser Vorschlag, an einigen Ecken nochmal abgerundet wird und an anderen Stellen nicht zu sehr von diversen Lobbies verwässert wird. Ich denke, dass der Vorschlag ohne die Proteste Anfang letzen Jahres deutlich anders ausgefallen wäre und schätze dass vor allem die Ängste der Nutzer zumindest bei der SPD angekommen sind. Somit haben wir uns, obwohl wir das eigentliche Ziel der Demos, den Beschluss der Reform im EU-Parlament und EU-Rat zu verhindern, verfehlt haben, genug Gehör verschafft, dass der Diskussionsentwurf nicht nur die Handschrift der Lobbies trägt. Alles in allem finde ich den Vorschlag relativ brauchbar, auch wenn ich mir große Sorgen um Livestreams mache. Ob Twitch unter diesen Regeln in Deutschland weiterhin seinen gewohnten Dienst anbieten kann, muss wohl die Zukunft zeigen. Vielleicht schaffen es die Plattformen zu argumentieren, dass es für Livestreams keine direkte Bezahl-Konkurrenz gibt, andererseits währe es wohl unfair, wenn jemand problemlos im Livestream urheberrechtlich geschütztes Material zeigen dürfte, was dann erst als Video on Demand auf Verstöße gefiltert wird. Hat dazu vielleicht noch jemand weiterführende Informationen?
Was sind eure Gedanken und Meinungen zu dem Thema? Wenn ihr dem Ministerium eure Vorschläge unterbreiten wollt ist hier die dazugehörige Adresse: konsultation-urheberrecht@bmjv.bund.de
Ich freue mich auf eine Sachliche Diskussion,
gruß
Pyrukar
*Danke an @SE. für die Hinweise
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