Im Prinzip haben beide Seiten nicht so ganz unrecht:
1. Die BA hat Recht, vom Prinzip her wären eigentlich genügend Fachkräfte da.
2. Die BITKOM hat aber auch Recht, da die vorhandenen "Fachkräfte" oftmals schlichtweg für die Praxis ungeeignet sind.
Ich habe selbst drei Semester ein IT-Studium begonnen gehabt. Leider war dies eine reine Mogelpackung, es wurde nicht das Wissen "verkauft", was man irgendwo in der Praxis brauchen könnte (bis auf wenige Ausnahmen vielleicht). Das Problem ist einfach, dass reines theoretisches Wissen gelehrt wird, das im Prinzip kaum jemanden interessiert und für die Anwendung völlig irrelevant ist.
Warum muss man komplizierte elektrotechnische Berechnungen mit was weiß ich für Schaltungen und komplexen Zahlen beherrschen, lernt aber nicht, was ein FI ist, wie er arbeitet, wo er Vorschrift ist? Warum lernt man C zu programmieren, wo diese Sprache genau wie Basic längst durch Java, C# und was weiß ich was ersetzt wurde? Warum lernt man, was auf welcher Schicht des OSI-Modells geschieht, nicht aber welche Arten der Vernetzung es gibt, wo die Vor- und Nachteile sind und mit welchen Methoden und Kniffen man Netze effizient und sicher gestalten kann (VLAN, Spanning Tree, Port Aggregation, etc.). Wozu lernt man, wie phyisikalisch gesehen eine Funk-Übertragung genau vor sich geht, nicht aber wie WLAN-Netze effizient aufgebaut werden, welche Kanäle in welchen Bereichen es gibt und welche wie und wann zulässig sind (DFS, Indoor-Only, 5,8 GHz nur für kommerzielle Betreiber, etc.).
Wäre man mit dem Studium fertig, dann könnte man z.B. in die Entwicklungsabteilung von Herstellern von Netzwerkkomponenten gehen und dort neue Produkte designen. Derer Hersteller sind mir in Deutschland noch 3 bekannt, die sowas machen, die haben zusammen genommen vielleicht keine 1000 Leute in der Entwicklung sitzen. Für die, die dort beschäftigt sind, kann man sowas auch nach dem Studium noch in Schulungen vermitteln.
Was wir aber brauchen, sind Leute, die sich in tausenden von Betrieben tagtäglich mit dem Betrieb, Aufbau, Wartung und Erweiterung der IT-Infrastruktur beschäftigen, die mit den verfügbaren technischen Mitteln umgehen können und die Administration im Schlaf beherrschen. DAS wird im Studium aber nicht gelernt und muss mühsam entweder selbst autodidaktisch oder in späteren Schulungen angeeignet werden.
Solange so wichtige Basics nicht vermittelt werden, haben die ganzen IT-Fachkräfte auf den Hochschulen wohl keine besonders guten Erfolgsaussichten.
Ich habe die Studienrichtung komplett gewechselt, weil ich mir viele wichtige Dinge lieber selbst angeeignet habe. Und ich lerne jeden Tag durch eigenes Tun, Ausprobieren, Neugierig sein und selbst Aneignen hinzu.
Aber ich glaube, das ist nicht nur in der IT so, sondern ein generelles typisch deutsches Problem: Absolventen und Berufsanfänger haben im Studium zwar viel gelernt, aber nur sehr wenig, was sie wirklich auf die Praxis vorbereitet. Alles soll wissenschaftlich-theoretisch beleuchtet werden, aber sorry für meine Formulierung, diese "Fachidioten" kann man meist nicht auf die Menschheit loslassen.
Gruß
websurfer83.