Die Unterschicht in Deutschland

@Relict
Ich kann für Deinen vorletzten Beitrag viel Sympathie aufbringen bzw. gut verstehen, dass man die Dinge so sehen kann, wie Du sie beschrieben hast. - Wenn man andererseits die Absicht hat, so gut wie möglich eine Vollbeschäftigung zu erreichen, dann hilft auch das Bürgergeld wenig. Für die Empfänger von Sozialleistungen und Komblöhnen verändert sich ja praktisch nichts. Nur der Rest der Bevölkerung bekommt jetzt zusätzlich das Bürgergeld, das er vorher nicht bekam. Allein dadurch entsteht aber noch kein einziger neuer Job. Man hofft doch nur darauf, dass dejenigen, die keinen Job haben, in Zukunft darauf verzichten wollen, oder dass ausscheidende Arbeitnehmer kurzerhand durch Arbeitslose ersetzt werden können.
 
der punkt, das, durch mehr kapital beim einzelnen, die wirtschaft angekurbelt und somit neue stellen entstehen könnten, wird da aber bei dem gedankengang komplett übergangen. (wobei ich das bei der gier der arbeitgeberseite bzw. konzernchefs auch noch bezweifel, das da neue stellen entstehen statt das die sich die taschen voll machen. aber das könnte man ja auch irgendwie regeln)
 
Welches "Mehr" an Kapital meinst Du denn konkret? Wenn jetzt auch die arbeitende Bevölkerung eine Leistung in Form von Bürgergeld bekommt, dann wird ihnen dieses Geld zuvor aus den Rippen geschnitten. Es ist ja nicht deshalb mehr Geld in Umlauf, weil das Bürgergeld eingeführt wird. Im Endeffekt kommt das Geld aus dem großen Sozialetat, weil fast alle übrigen Sozialleistungen eingestampft werden. Die bisher direkt gezahlten Leistungen fließen wie zuvor in den Konsum. Und die Gehälter der Angestellten in den Verwaltungen, die auf die Straße gesetzt werden, bekommen statt eines Gehalts nunmehr nur noch irh Bürgergeld. Auch da sehe ich keinen Konsumzuwachs, eher das Gegenteil. Die Reichen im Land, die auch das Bürgergeld bekommen, sofern es sich um ein bedingungsloses Grundeinkommen handelt, werden die paar Euro nicht zusätzlich konsumieren, weil sie bei denen gar nicht ins Gewicht fallen.

Aber Du kannst selbst ausrechnen, was da umverteilt werden muss. Wenn Du jedem volljährigen Bundesbürger 900-1000 Euro im Monat zahlen willst (Kindern weniger), dann rechne das mal für 82 Mio. Menschen und für 12 Zahlungen pro Jahr aus.

Außerdem habe ich noch keine befriedigenden Antworten auf meine wesentlcihen Kritikpunkte gehört. Bei der Schwarzarbeit war ich mir mt KLOk ja schon einig (per PN). Warum sollte die Ehefrau eines Facharbeiters noch länger ihrem Teilzeitjob nachgehen (Zeitung austragen, Verkäuferin in einer Bäckerei), wenn sie dort nur die Hälfte dessen verdient, was ihr als Bürgergeld in den Schoß fällt. Und wer übernimmt diese Jobs, die dann unbesetzt bleiben?
 
Zuletzt bearbeitet:
ja, ich meinte halt das "mehr" an kapital, was der einzelne dann hätte durch das bürgergeld.. aber wie gesagt, bei der finanzierung des modells bin ich mir wie ich auch schon in der PN schrieb überfragt, eben weil ich mich damit einfach nich genug auskenne.
ich denke der reiz des dazu verdienens würde aber bleiben.

aber, das führt mich zu was anderem..
ist jetzt nur n gedankengang, aber vielleicht sollte einfach grundsätzlich mehr geld im umlauf sein...
ich mein,... der euro ist so stark und stabil wie nie und schlägt den dollar quasi um das doppelte (wobei preise aber teilweise 1:1 übernommen werden ohne jegliche umrechnungen bei anderen währungen oder unserer alten D-mark). jeder muss quasi jeden cent 3mal umdrehen vor der überlegung einer anschaffung (bei nahezu allem, selbst bei eigentlich selbstverständlichen und alltäglichen dingen wie nahrungsmittel und kleidung)..
bei dieser entwicklung bin ich auch nicht wirklich davon überzeugt ob das "sooo gesund is" für alle beteiligten.
 
Wenn man es auf die gesamte Volkswirtschaft überträgt, dann gibt es kein "Mehr". Wo soll das auch herkommen, wenn man kein zusätzliches Geld druckt? Es wird lediglich umverteilt. Die Empfänger von Kombilohn und dergleichen werden so ziemlich das gleiche Geld beziehen wie vorher auch, mitunter ein klein wenig mehr. Die Vollzeit arbeitende Bevölkerung wird auf gar keinen Fall ihr bisheriges Netto-Arbeitsentgelt plus Bürgergeld kassieren können. Denn das Bürgergeld wird durch Steuern finanziert. Also entweder zahlt der Arbeitnehmer deutlich mehr Steuern als zuvor, oder aber - was ich für wahrscheinlicher halte - die Arbeitslöhne sinken auf breiter Front. Würden sie nicht sinken, dann käme auf die Unternehmen eine zu große Gesamtbelastung zu. Sie müssten nämlich die bisherigen Löhne zahlen plus ein sattes Plus an Steuern zur Finanzierung des Burgergeldes. Und das würde nicht funktionieren.

Wenn einseitig die Geldmenge steigt, dann passiert das hier: http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/innenpolitik/inflation/index.html
 
@Keshau
Die meisten Bürgergeld-Modelle sehen eher eine Obergrenze vor. Für Reiche und Besserverdiener ist da in der Regel keines oder weniger vorgesehen. Bei den meisten Modellen wird die negative Einkommenssteuer zugrunde gelegt und gestaffelt bis ca. 1500-2000 Euro Einkommen. Es soll ja auch in erster Linie der Grundversorgung der Unterschicht zur Bekämpfung von Lohndumping und Armut dienen. Wer bspw. 2000 Euro netto im Monat verdient kann und sollte auch ohne diese "Peanuts" auskommen. Er wäre auch ohne doppelt so gut gestellt. Aber selbst mit, Besserverdiener zahlen ja auch höhere Steuern.

Mehr neue Jobs entstehen auch jetzt nicht, wenn man mal die Tendenz Zeitarbeit, Niedriglohn und Praktikantenstellen weglässt, die gerade boomen, ich aber nicht unbedingt für erstrebenswert und wirksam gegen Armut halte. Es geht auch nicht darum das pauschal mehr Jobs entstehen oder jeder zwangsbeschäftigt wird, sondern das alle ein ausreichendes Grundeinkommen haben und für Arbeit auch angemessen entlohnt werden.
Man gäbe mit so einem Grundeinkommen zur Abwechslung allen (auch potenziellen) Arbeitnehmern ein Instrument zurück, eine bessere Verhandlungsposition. Das schafft fairen und echten Wettbewerb im Arbeitsmarkt, frei von Existenzzwängen & co.

Die ungern gemachten Jobs stünden natürlich tatsächlich auf dem Spiel. Vieles könnte und wird man aber auch zukünftig maschinell ersetzen (zb. Fließband) oder eben besser bezahlen. Auch heute wird ja in vielen Bereichen zunehmend rationalisiert, aber auch nur dort, wo die menschliche Arbeitskraft zu teuer wird, dann werden hohe Investitionskosten für High-Tech auf einmal interessant. Dort wo Arbeitskraft zum Schnäppchenpreis zu haben ist, besteht allerdings nach wie vor kein Drang zu Veränderungen.
Ich meine wer schon in der Scheiße buddelt oder körperlich anstrengende Arbeiten tätigt, sollte genauso auch angemessen entlohnt dafür werden. Leider wird es aktuell selten gewürdigt, was sich in der schlechten Entlohnung zu immer mehr Leistungsdrill widerspiegelt.

Oder Jobs wie Webdesigner. Sowas macht inzwischen für Appel und Ei zunehmend Nachbars Fiffi.
Das stetige spezialisieren und qualifizieren, hebt nur das Level an, alles schaukelt sich gegenseitig immer höher. Andern in Sachen mehr angemessen bezahlte Stellen würde sich aber auch nichts. Dann trifft es eben die nächst höhere.

Verlierer wird daher immer der sein, der eben gerade nicht auf der Höhe (besser darüber zwecks Konkurrenz) des aktuellen Standes ist. Also wird es immer mehr Angebot, als Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt geben. Und somit immer eine schlechter gestellte Schicht, oder auch Unterschicht. ^^ Daher muß man genau diese besser ausgestalten, statt sie zu bekämpfen.


Und zum Thema mehr Geld.
Nix Geld nachdrucken. ^^ Das gezahlte Geld fließt ja zum großen Teil wieder in den Wirtschaftskreislauf und auch zum Staat zurück, sowohl mit Bürgergeld, als auch aktuell. Der Wirtschaft ist es relativ egal wer sein Geld bei ihr umsetzt, hauptsache er setzt es um. :)
Allerdings könnten sich die Preise dadurch wohl auch ändern, zwangsläufig durch die gestiegenen Lohnkosten. Dem Lohndumping aufgrund harten Wettbewerbes würde ein natürlicher Einhalt geboten werden. Ich denke Not wird auch hier erfinderisch machen für die Firmen und es würde sich garnicht so extrem auswirken. Allerdings alles Spekulation, niemand weiß genaueres.
 
Zuletzt bearbeitet:
Relict schrieb:
Es soll ja auch in erster Linie der Grundversorgung der Unterschicht zur Bekämpfung von Lohndumping und Armut dienen.


Die Armut läßt sich dadurch mit Sicherheit begrenzen, aber Lohndumping wird mit einem Bürgergeld eher gefördert. Der von mir vorher angeführten Reinigungskraft könnte man ja noch weniger zahlen als schon jetzt, den Rest kann sie ja per Bürgergeld bekommen. Die Reinigungsfirmen verdienen sich dumm und dämlich, während wir alle ihr Personal bezahlen. In anderen "Niedriglohn-Branchen" wie z.B. der Gastronomie, der Hotellerie, im Tourismus etc. wäre das kaum anders...
 
und was wäre wenn man das ganze mit dem mindestlohn kombiniert...? das würde dem lohndumping entgegen wirken.
 
Bei den meisten Modellen wird die negative Einkommenssteuer zugrunde gelegt und gestaffelt bis ca. 1500-2000 Euro Einkommen. Es soll ja auch in erster Linie der Grundversorgung der Unterschicht zur Bekämpfung von Lohndumping und Armut dienen. Wer bspw. 2000 Euro netto im Monat verdient kann und sollte auch ohne diese "Peanuts" auskommen.

Entschuldige Relict, da versteh ich was nicht, meine Frau hat gerade einen neuen Job in einer Spedition als Sachbearbeiterin angefangen. Sie bekommt dort 1400€ brutto für 42,5 h die Woche, zählt sie dann zur Unterschicht? gleich mal dazugesagt, sie selbst ist froh und glücklich über die Verhältnisse und zählt sich auch nicht zur Unterschicht.

Ich frage mich ohnehin wo die Rechenbeispiele mit 2000-3000€ Durchschnittslohn immer herkommen, da tränen mir ja schon die Augen und ich bin Beamter.
 
@wiesel201
Der Unterschied ist dann, dass keiner mehr für das Geld gehen wird, der Zwang fällt weg. Und somit wird auch durch das Bürgergeld ein quasi Mindestlohn geschaffen.
Also wird es attraktive Angebote von Arbeitsgeberseite geben müssen, eher bessere als jetzt. Es ist ja dann eine rein freiwillige Entscheidung. Und das Bürgergeld fiele ja noch nicht bei zb. "nur" 1000 Euro Verdienst weg, im Gegensatz zu jetzt, sondern wird zb. durch das Modell der negativen Einkommensteuer gegengerechnet.

@OMaOle
Ja die offizielle Armutsgrenze liegt bei 980 Euro (netto). Weil es gleichzeitig die Pfändungsgrenze ist. Scheinheilig daher, weil Hartz IV oft weit darunter liegt. ;)
Deine Frau könnte dann 1400 Brutto weiterhin verdienen und bekäme noch 700 Euro Bürgergeld obendrauf.

Das mit den hohen Durchschnittslöhnen sind eben statistische Durchschnittsangaben.
See -> durchschn. 80 cm tief -> Kuh ertrank. ^^

Und die 1500-2000 Eur Netto Verdienst war ein Beispiel aus einigen Modellen. Das aktuell viele Menschen weitaus weniger verdienen habe ich nie bestritten. Im Gegenteil, darum geht es ja gerade.

Achso und wie ich schon schrieb. Unterschicht ist ein sehr relativer und dehnbarer Begriff und auch keine Schande. Armut ist eine Schande. (für die Gesellschaft, nicht die Betroffenen!)
 
Zuletzt bearbeitet:
Relict schrieb:
@wiesel201
Und somit wird auch durch das Bürgergeld ein quasi Mindestlohn geschaffen.

Das sehe ich anders. Nenne es Mindesteinkommen, dann stimme ich Dir zu. Aber in "Mindestlohn" steckt das Wort Lohn, und Lohn ist eine Gegenleistung für eine Leistung des Lohnempfängers. Ein Bürgergeld setzt keine Leistung voraus. Wenn wir diese Begrifflichkeiten nicht strikt auseinanderhalten, werden wir immer wieder aneinander vorbeireden...
 
@wiesel201
Im Prinzip völlig richtig, formell. Praktisch ist auch Hartz IV ein quasi Mindestlohn bzw. hat die Grenze der unteren Löhne gesetzt, ohne explizites Gesetz für Mindestlöhne. Ok Hartz-IV setzt eine Leistung voraus. Fordern. Bürgergeld fordert in dem Sinne natürlich nicht und ist selber natürlich auch kein Mindestlohn. Aber die Löhne werden sich auch an diesem ausrichten, vorallem die unteren. Das meinte ich damit.
 
Relict, ich bin fest davon überzeugt, daß ein Bürgergeld zu einem weiteren Absinken des Lohnnivaeus im Niedriglohnsektor führt. Warum? Wer hindert denn den Chef zu sagen: "Ich kann Dir nur Summe x im Monat zahlen, aber das ist ja nicht schlimm, den Rest läßt Du Dir einfach durch das Bürgergeld ausgleichen?". Glaub mir, es gibt genügend Halsabschneider, die so anfangen würden, und die ganze Branche müßte über kurz oder lang nachziehen, weil sich die schwarzen Schafe sonst einen Wettbewerbsvorsprung schaffen würden. Nein, so einfach funktioniert ein Bürgergeld nicht.

Interessanter finde ich Kombination aus Bürgergeld und Mindestlohn. Wer arbeiten geht und dennoch Ansprüche geltend machen muß auf Bürgergeld, dem muß wenigstens der Mindestlohn auf die Arbeitszeit angerechnet werden. Gehen wir mal von fiktiven 6 Euro Mindestlohn pro Stunde und einem Bürgergeld von 800 Euro aus. Hat der Arbeitnehmer einen Job mit 4 Stunden am Tag und erhält pro Stunde nur 3 Euro, müßte bei der Berechnung seiner Bürgergeldansprüche dennoch davon ausgegangen werden, daß er 6 Euro pro Stunde erhält: 21 Tage mal 4 Stunden sind 84 Stunden im Monat, macht bei 6 Euro Mindestlohn 504 Euro monatlich. Anspruch auf Bürgergeld i.H. von 296 Euro, obwohl er tatsächlich nur 252 Euro im Monat verdient.

Nur so läßt sich dauerhaft verhindern, daß Jobs zu Dumpinglöhnen überhaupt angenommen werden. Dumpinglöhne wären dann nur noch im Schwarzlohnsektor möglich, und da greifen wieder ein paar andere Gesetze...

PS: Bitte keine Diskussion über die 800 Euro oder die 6 Euro: Es ist nur ein Rechenbeispiel...
 
wiesel201 schrieb:
"Ich kann Dir nur Summe x im Monat zahlen, aber das ist ja nicht schlimm, den Rest läßt Du Dir einfach durch das Bürgergeld ausgleichen?"
Dein Rechenbeispiel ist nicht viel anders wie Kombilohn. Somit zahlt der Staat ja auch den Ausgleich, was zu Mitnahmeeffekten führen wird. Genau das haben wir jetzt schon durch die aktuellen Lohnzuschüsse und -Fördertöpfe, Lohnkostenzuschuss, Einstiegsgeld etc.
Schwarzarbeit haben wir jetzt auch. Es wird nunmal immer ein Weg gefunden werden, das meistmögliche herauszupressen. Diese wird man kaum ausmerzen, man kann sie nur stärker bekämpfen.

Mit dem Bürgergeld ist hingegen das höhere Grundeinkommen bereits gewährleistet und viel entscheidender: die Bedingungen sind zudem anspruchslos. Und selbst bei Dumpinglöhnen hätte man ja immernoch zusätzlich das Bürgergeld. Es bleibt aber eine völlig freiwillige Sache diese anzunehmen, um sich etwas hinzuzuverdienen.
Nicht die Dumpinglöhne ansich sind ja das Problem,. sondern die Folgen daraus.

Aktuell sind Dumpinglöhne Ersatz von Transferleistungen, nicht Zusatz. Auch heute geht keiner für 100 Euro Freigrenze neben Hartz IV Vollzeit. Verdient er mehr, wird der Regelsatz angerechnet und es bleiben ihm bei bis 800 Euro "Zuverdienst" lediglich ~20% Mehreinkommen von diesem Lohn über. Der Anreiz wird hierfür einzig über die Verpflichtung zur Jobaufnahme geschaffen.

Kurz und gut, der größte Unterschied mit Bürgergeld wäre ganz einfach ein höheres Grundeinkommen ohne Existenzzwang und Druck. Und somit Bekämpfung von Armut.
Daher sollte es auch Obergrenzen geben und nicht allzu üppig ausfallen.

Kombilohn ist in erster Linie staatliche Finanzierung der Wirtschaft. Der Arbeitnehmer hat dadurch kaum Vorteile. Es fände lediglich eine Umverteilung der Arbeitnehmer statt. Denn Unternehmen werden immer den kostengünstigsten Weg wählen.

Mindestlohn schafft nicht automatisch mehr Arbeitsplätze, sondern kann sogar zum Gegenteil führen. Um dies wirksam durchzusetzen müsste man schonmal alle gesetzlichen Lücken schließen. Und danach hat man immernoch nicht mehr Arbeitsplätze. Ein schwieriges Unterfangen. Stichwort Scheinselbstständigkeit, Abrechnung nach Leistung pipapo. Und es kann für die verbliebenen Arbeitnehmer genauso auch zu einer Absenkung der Löhne Richtung Mindestlohnniveau führen und der Leistungsdruck steil steigen.
Mehr in der Tasche hat durch diese Modelle aber kaum einer. Armut wird damit auch nicht weniger.

Wenn man es so betrachtet gibt es kein perfektes Modell. Nur verschiedene Philosophien. Alle bisherigen Modelle sind nur Ansätze und noch stark verbesserungswürdig.
 
Nach allgemeinem Verständnis dienen Mindestlöhne dazu, das Existenzminimum für diejenigen zu sichern, die einer bezahlten Arbeit nachgehen. Wenn man ein Bürgergeld eingeführt hat, dann müsste der Mindestlohn bei Null liegen. Ich sehe auch nicht ein, warum man vor dem Hintergrund von knapp 40 Mio. Erwerbstätigen nun wegen ca. 4 Mio. Arbeitslosen das gesamte Tarifsystem aushebeln will.

Eines der Ziele des Bürgergeldes ist die Schaffung eines wirklich freien Arbeitsmarktes, der durch Angebot und Nachfrage gelenkt wird. Und wenn wir derzeit einen Überschuss an unqualifizierten Arbeitskräften haben, denen nicht genug freie Stellen gegenüberstehen, dann wird sich der Markt durch sinkende Löhne anassen. Dann reden wir nicht mehr von 7.50 Euro, sondern vielleicht von 2 Euro.

Für die Zeit der Einführung des Bürgergeldes kann man sich also folgendes Szenario ausdenken: Kündigung sämtlicher Tarifverträge, Dauerstreiks und irgendwann eine Einigung auf einen Lohn, der den Markt bereinigt. Aber je geringer der Lohn ausfällt, desto niedriger ist die Bereitschaft, zusätzlich zum Bürgergeld zu arbeiten. Und darin sehe ich ein Problem.

Da sich die Bruttolöhne verändern, muss auch das System der Einkommensteuer neu entworfen werden. Denn sonst steht der Staat bald mit leeren Händen da.
 
Relict, Du hast recht, mein Rechenbeispiel kann man durchaus mit einem Kombilohnmodell vergleichen. Und genau darin sehe ich auch die Gefahr: Mitnahmeeffekte im großen Stil.

Relict schrieb:
Kurz und gut, der größte Unterschied mit Bürgergeld wäre ganz einfach ein höheres Grundeinkommen ohne Existenzzwang und Druck. Und somit Bekämpfung von Armut.

Eine schöne Idee, aber wer bezahlt das? Der Staat, und zwar mit unser aller Geld. Und wenn der Druck fehlt, sich eine Arbeit zu suchen, warum sollten viele dann noch arbeiten gehen? Es ist schon wichtig, die Anzahl der Leistungsempfänger so gering wie möglich zu halten, und zwar nicht willkürlich, sondern durch die Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit. Steigende Zahlen von Leistungsempfängern führen zu einer größeren finanziellen Belastung der Steuerzahler!

Relict schrieb:
Wenn man es so betrachtet gibt es kein perfektes Modell. Nur verschiedene Philosophien. Alle bisherigen Modelle sind nur Ansätze und noch stark verbesserungswürdig.

Da sind wir uns wohl zu 100% einig.
 
@keshkau
Ja die Einführungszeit würde hart und müsste daher schrittweise geregelt werden. Und da ist auch das Hauptproblem bei solchen Totalreformen, bis sich eben alle eingependelt hat.
Die Bereitschaft zum arbeiten sehe ich dagegen weniger als Problem bzw. mehr Vorteile als Nachteile. Denn da die wenigsten für Deine 2 Euro arbeiten gehen werden, müssten die Unternehmen entsprechende Anreize schaffen, sonst stehen sie eines Tages ohne Arbeitskräfte da.

Und das Steuersystem ist sowieso stark überarbeitungswürdig. Nur bisher bestand kein richtiger Anreiz dazu und daher wird nur immer mal wieder darüber gelabert. :)
Selbst ich fand damals schon zb. das Kirchhoff-Modell garnicht so schlecht, wie es zum Ende des Wahlkampfes dann verteufelt wurde. Man muss sich damit nur mal näher auseinandersetzen und die aktuelle Realität dabei zu Rate ziehen. Dazu scheint aber genasuowenig Bereitschaft von hoher Stelle aus zu bestehen.

Auch der Staat stünde durch Bürgergeld nicht zwangsläufig irgendwann mit leeren Händen da. Produktion, Konsum und Steuern verschwinden ja nicht. Die hohen Bürokratiekosten würden zudem drastisch gesenkt.
Man müsste es eben mal gründlich durchrechnen und auch die aktuellen Transferleistungen und Subventionen gegenrechen.

PS:
Zu Deinen 40 Mio Erwerbstätigen kannste noch paar Milliönchen Arme trotz Erwerbstätigkeit oder die Dunkelziffer an Arbeitslosen hinzurechnen. Dein tolles Tarifsystem wird auch jetzt an allen Ecken und Enden unterwandert und ausgehebelt wo nur geht. Ausser bei den Großkonzernen siehts doch eher Mau für viele Arbeitnehmer aus. Und selbst dort bröckelts.


@wiesel201
Der Unterschied Deines Modelles zum kursierenden Kombilohnmodell ist, dass aktuell der Arbeitgeber einen Lohn willkürlich vorgibt und der Staat diesen auffüllt. Dein Modell will einen Mindestlohn vorgeben und dahin auffüllen. Klar in einigen Branchen gibts natürlich auch heute schon Tarife und Mindestlohn und da trifft Dein Modell natürlich auch auf das aktuelle Kombilohnmodell zu.

Aber Mindestlohn und Bürgergeld beißt sich meiner Ansicht nach irgendwo. Wenn bürgergeld gezahlt wird entscheiden und bestimmen die Menschen in erster Linie selber für welche Bedingung sie arbeiten möchten, nicht der Staat und nicht der Arbeitgeber und auch nicht ihre Not.
 
Zuletzt bearbeitet:
OMaOle schrieb:
Entschuldige Relict, da versteh ich was nicht, meine Frau hat gerade einen neuen Job in einer Spedition als Sachbearbeiterin angefangen. Sie bekommt dort 1400€ brutto für 42,5 h die Woche, zählt sie dann zur Unterschicht? gleich mal dazugesagt, sie selbst ist froh und glücklich über die Verhältnisse und zählt sich auch nicht zur Unterschicht.

Ich frage mich ohnehin wo die Rechenbeispiele mit 2000-3000€ Durchschnittslohn immer herkommen, da tränen mir ja schon die Augen und ich bin Beamter.



Sie bekommt für 42,5 h die Woche 1400 Euro Brutto?:freak:
Waaa, sowas nenn ich klassische Ausbeutung.
Aber mich wunderts nicht, Ausbeutungsjobs nehmen immer mehr zu.

Ausbeutung= (Zeitarbeit,Praktikum,Niedriglohn bis 9 Euro/Std)
 
Das waren im Jahr 2000 noch 2800 DM Brutto, von dem man eigentlich über die Runden kam.
ich frag mich manchmal immer was viele denken was sie verdienen müssten um "leben" zu können ?
Es kann nun mal nicht jeder 3000 Euro verdienen (überlegt mal wieviele leute ihr kennt die zu DM Zeiten 6000 DM verdient haben...)

Soll keine Kritik sein, nur ein Denkanstoss.
 
sicher ist das so, allerdings scheinste dabei zu vergessen das die lebensunterhaltungskosten seitdem auch nicht grade wenig gestiegen sind. sieh dir einfach nur mal die strom oder heizöl rechnung von vor 6-7 jahren an, nur mal so als beispiel. oder sieh einfach mal nachm einkauf in den einkaufswagen und frag dich wieviel du früher dafür bezahlt hättest. ebenfalls nur n denkanstoss.
 
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