wickedgonewild schrieb:
Jeder will Sicherheit, keiner will Überwachung. Das passt nicht zusammen.
Wenn mehr Überwachung mehr Sicherheit zum Ergebnis hätte würde ich dir ja zustimmen, nur ist das objektiv einfach nicht der Fall. Es gibt z.B. verschiedene Studien die zum Leidwesen der Überwachungsfreaks ergaben, daß Videoüberwachung auf die Kriminalitätsrate keinen signifikanten Einfluß hat. Bestenfalls könnte man argumentieren, daß es NACH dem Verbrechen mit den Aufnahmen etwas leichter fallen könnte den Täter zu finden. Doch selbst das gilt nur dann, wenn der Täter so aufgenommen wird, daß er eindeutig identifiziert werden kann. Nur würde ich es vorziehen, gar nicht erst zum Opfer eines Verbrechens zu werden, aber das kann Überwachung erwiesenermaßen einfach nicht leisten.
Kleine Anekdote dazu:
Ich war vor einiger Zeit dazu gezwungen mitten in der Nacht 2 bis 3 Stunden im Frankfurter Hauptbahnhof zuzubringen. Obwohl das gesamte Gebäude zweifellos überwacht wird und auch die Bundespolizei dort ein paar Räume belegt, hat das nicht dazu beigetragen, daß ich mich in irgendeiner Form sicher gefühlt hätte. Man kann einen unsicheren Ort mit mehr technischer Überwachung einfach nicht sicherer machen. Das funktioniert nur mit der Präsenz von gutem Sicherheitspersonal. Schlechtes Sicherheitspersonal kann dagegen dazu beitragen, daß die Leute sich NOCH unsicherer fühlen.
Das Problem an Plänen wie dem Einbau von Backdoors oder Key Escrow ist, daß damit letztendlich sogar die Sicherheit für alle herabgesetzt wird. Denn es besteht immer die Gefahr, daß Hintertüren auch von anderen gefunden werden. Ob das nun Kriminelle oder andere Geheimdienste sind spielt da keine Rolle. Auch das Verfahren des Key Escrow (also die Hinterlegung eines "Nachschlüssels") birgt immer die Gefahr, daß Leute an die Schlüssel kommen die da gar nicht dran kommen sollen. Aus dem Grund gehen einige Sicherheitsforscher (mit vollem Recht) soweit zu sagen, daß die Existenz von Backdoors oder auch Key Escrow im Grunde bedeutet, daß keine wirksame Verschlüsselung vorliegt. Natürlich hat das Verbot von wirksamer Verschlüsselung auch immer negative wirtschaftliche Folgen.
Auch sollte man sich immer vor Augen halten, daß jeder der verschlüsselt kommunizieren will, auch in der Lage ist sich die Möglichkeiten dazu zu verschaffen. Es ist sehr einfach eine beliebige Datei wirksam zu verschlüsseln, an einen anderen über das Internet weiterzugeben, wo sie dann wieder entschlüsselt wird. Stichwort: Asymmetrische Verschlüsselung, Public Key Verfahren. Verschlüsselte Daten können auch per Steganographie in andere Daten eingebettet werden. Dort findet sie im Normalfall nur der, der weiß wonach er sucht. Es gibt also genügend sichere Verfahren mit denen auch Terroristen sicher kommunizieren können. Es gilt der Grundsatz: If privacy is outlawed, only outlaws will have privacy.
Die immer wieder hochkommenden Überwachungswünsche bedeuten letztendlich nur, daß die ganz normalen Menschen immer davon ausgehen müssen, daß bei jedem Gespräch unter vier Augen mindestens noch ein weiteres Paar Augen dabei ist. Das Menschen sich an Überwachung gewöhnen spielt dabei auch keine Rolle.
Die deutsche Regierung (aber auch die EU) prangert immer wieder die Überwachung in anderen Ländern wie China oder Russland an. Doch letztendlich erinnert die Realität immer mehr an den Schlußsatz aus Orwells Buch "Animal Farm": The creatures outside looked from pig to man, and from man to pig, and from pig to man again; but already it was impossible to say which was which.