TheManneken schrieb:
Nix für ungut, aber irgendwie beantwortet aus meiner Sicht dein Beitrag nicht das Warum.
Weil die Meisten es schon beantwortet haben. Für das, was du als Handwerker leistest, bekommst du so gut wie nichts. Als Beispiel: Ein Arbeitskollege und ich haben in einem Jahr einen Umsatz von 2 Millionen Euro für die Firma erbracht. Eine Provision oder sonst was haben wir nicht erhalten.
TheManneken schrieb:
Also, wenn ich mal davon ausgehen würde, du hättest mit deiner Ausbildung mit 18 Jahren angefangen
Tatsächlich habe ich mit 25 die Ausbildung angefangen. Bin Mittlerweile 32.
TheManneken schrieb:
und hattest nach 5 Jahren 35k brutto
Wie willst du einem Jugendlichen die Handwerker-Ausbildung schön reden, wenn du mit 1600€ Netto anfängst?
TheManneken schrieb:
(ohne Angabe der Wochenarbeitszeit)
40 Stunden. Im Monat sind es dann 168-176 Stunden im Schnitt. Im Handwerk gibt es so gut wie keine Teilzeitarbeit. Das nutzen die Firmen schön aus.
Die Mieten sind in die Höhe geschossen. Für eine 2 Zimmer Wohnung zahlst du mittlerweile über 800€. Strom und Wasser kommen dazu. Mit Internetanschluss liegst du knapp bei 1000€ an Fixkosten. Übrig bleiben 600€. Wie hoch war noch mal Bürgergeld? Exakt 502€. Ich denke jetzt sollte der Groschen gefallen sein. Lass es von mir aus 1800€ Netto sein. Trotzdem lohnt sich Bürgergeld mehr. Dann habe ich am Ende 200-300€ weniger, aber dafür eindeutig mehr Zeit. Sind diese 170 Stunden 300€ wert?
Wenn jetzt das Argument kommen sollte, dass man aufs Land ziehen sollte, benötigt man wiederum einen Wagen, was ebenfalls mit Kosten gebunden ist. Daher ist das genauso Humbug.
TheManneken schrieb:
nach weiteren 1,5 Jahren - also grob (ich runde mal auf) mit 25 Jahren
Okay, das habe ich hier tatsächlich nicht erwähnt. Daher kannst du das auch nicht wissen. Nach der ersten Firma habe ich tatsächlich eine Ausbildung zum Luftsicherheitsassistenten abgeschlossen. 3 Monate hatte die Ausbildung gedauert. Gearbeitet habe ich leider nur 2 Monate, da ich aufgrund von Corona gekündigt worden bin. Erst danach habe ich bei der 2. Handwerkerfirma angefangen. Warum habe ich das Handwerk für eine kurze Zeit verlassen? Weil man am Flughafen deutlich mehr verdient. Die Arbeitsatmosphäre sowie die flexible Arbeitszeiten sind deutlich besser. Du kannst die Schichten unter den Kollegen wechseln.
Mittlerweile verdienen diese Leute 20€ die Stunde. Klingt für einige jetzt wenig. Sie verdienen dennoch gutes Geld, da sie extrem viele Zulagen bekommen. Als Beispiel bekommen sie extra Zulagen in Höhe von 200€ Netto für jede weitere Schicht, die sie annehmen. Und für jede Weitere Stunde, die sie zusätzlich arbeiten, gibt es 20€ obendrauf. Ein guter Freund lag bei 5500€ Netto im Monat. Muss aber gestehen, dass er dann auch vielleicht bei 200 Stunden lag. Es gibt übrigens auch noch ganz andere Zulagen (Sonntag/Frühschicht/Feiertag). Gut, mittlerweile haben sie die Zulagen für die Schichtannahme abgeschafft, da im Januar und im Februar nicht so viel los ist, aber im Sommer wird es wieder eingeführt. Dennoch sind 3500-4000€ Brutto üblich in der Branche. Plus man trägt einen Anzug, hat keine schwere Arbeit, man hat nette Kollegen um sich. Als Handwerker hast du nichts davon. Ansehen sowieso nicht.
TheManneken schrieb:
reine Gesellenausbildung, kein Meister
Der Meister ist halt so eine Sache. Ich würde gerne den Meisterkurs besuchen. Es gibt Firmen, die den Meisterkurs bezahlen, aber dafür musst du gefühlt 10 Jahre für die Firma arbeiten. Jetzt wird das Argument kommen, dass man den Meister selber bezahlen soll. Darüber habe ich natürlich auch schon gedacht, aber dann muss die Firma mitspielen. Und da fängt wieder die Problematik an. Finde mal eine Firma, die kooperativ ist und dich nur in Teilzeit arbeiten lässt.
Man kann den Meisterkurs auch an einem Stück machen, statt Blockweise. D.h. man hat durchgehend Unterricht. Allerdings hat man dann kaum Praxis, da man ja nicht arbeitet.
TheManneken schrieb:
Natürlich, je nachdem, wo du wohnst und wie hoch deine Lebenshaltungskosten und Miete sind
Mittlerweile in Berlin.
TheManneken schrieb:
und ich wundere mich, wie man jemanden zu einer Privathaftpflicht überreden muss... anderes Thema.
Wegen Mietschäden war die Aussage der Vermieterin.
TheManneken schrieb:
Schnauze voll von was? Ehrlich... ich verstehe es nicht. Da du ja mit keiner Silbe auf Arbeitsathmosphäre, Pensum, Kollegen, Work-Life-Balance, Benefits etc. eingegangen bist, nehme ich an, dass es da nichts zu klagen gab.
Ich hatte erwähnt gehabt, dass ich nicht klagen möchte, weil ich der Meinung bin, dass es nichts bringt. Aber wenn du es unbedingt wissen möchtest, kein Problem.
Wo soll ich anfangen? Am besten mit der Ausbildungszeit.
Ich habe um ehrlich zu sein den Beruf "Mechatroniker für Kälte- und Klimatechnik (früher: Kälteanlagenbauer) überhaupt nicht gekannt. Aber er soll ja "zukunftssicher sein" und man könne ja so toll "aufsteigen". So habe ich mich beworben und sehr zügig eine Ausbildungsstelle erhalten.
Die Firma ist ein Dienstleister im Facility Bereich, sprich: Facility Management. Hier fing auch schon das erste Problem an. Die Firma hat kaum Kälte-Aufträge gehabt, da sie eher Lüftungsanlagen betreut haben. Als Azubi durfte man 95-99% der Ausbildungszeit Lüftungsanlagen reinigen und die Filter tauschen. Das kannst du einem Analphabeten in 2 Minuten erklären und er macht das auch. Daher der Begriff "billige Arbeitskraft". Auf Anfrage, ob man was auch anderes machen darf, hieß es: Erst wenn die Auftragslage es anbietet.
Falls es jemanden interessiert, wie die Gesellenprüfung aussieht:
Die Gesellenprüfung sieht so aus, dass man eine Kälteanlage komplett selber verrohren muss. Dafür muss man nach Maß biegen sowie löten können. Des Weiteren musst du die Anlage mit Stickstoff abdrücken, da eine Dichtheitsprüfung seitens der Prüfer erfolgt. Außerdem musst du den Schaltschrank sowie die einzelnen Komponenten verdrahten. Auch musst du die Anlage in Betrieb nehmen und die Anlage mit Kältemittel befüllen können. Da gibt es noch zig andere Sachen, die man können muss, aber das würde jetzt den Rahmen sprengen.
So etwas wirst du nicht können, wenn du jahrelang Lüftungsanlagen schrubbst. Die Gesellenprüfung habe ich tatsächlich nur deshalb geschafft, weil man 4 Wochen vor der Prüfung in der Werkstatt zum ersten mal eine Anlage selber bauen durfte und explizit für die Prüfungsanlage, die ja von Jahr zu Jahr die selbe war, getrimmt wurde. Dann frage ich mich eigentlich wozu ich die 2 Jahren und 11 Monate gebraucht habe, wenn ja dieser eine Monat ausgereicht hat. Erwähnen muss ich aber tatsächlich, dass ich vor der Lehre schon Erfahrung in der Metallverarbeitung hatte. Es fallen im Schnitt 50-60% der Azubis in der praktischen Gesellenprüfung durch, da sie mit den selben Problemen zu kämpfen haben. Es gab auch Fälle, in denen es deutlich schlimmer war. 25 von 26 Azubis sind in der praktischen Zwischenprüfung durchgefallen. Jetzt zu behaupten, dass die ganze Schuld bei den Azubis läge, ist falsch. Es liegt auch an der Qualität der Ausbildung. Wenn von 25 Azubis 5 Azubis eine Anlage bauen durften, weil die restlichen Unternehmen es nicht gebacken bekommen, eine gute Ausbildung zu bieten, dann ist die Antwort sonnenklar. Das Traurige jedoch ist, dass der Prüfungsausschuss bzw. der Vorstand der BIV (Bundesinnungsverband des Deutschen Kälteanlagenbauerhandwerks) diese Problematik kennt, aber nichts unternimmt. Einfach deshalb, weil die Firmen sonst noch weniger Azubis hätte. Man stelle sich vor, dass man der Firma xyz verbietet, Kältetechniker auszubilden, weil die Qualität der Ausbildung nicht gegeben ist. An sich ist das eine richtige Entscheidung, aber sie machen es nicht.
Atmosphäre? Was ist das? So etwas gibt es im Handwerk nicht. Da stehst du ständig unter Druck.
Wenn du Hilfe benötigst, stehst du meistens auf dem Schlauch, da die Kollegen generell bei anderen Kunden sind. Außer man fährt in einem Team, da der Auftrag dann schon aufwendiger ist. Aber so oder so steht man immer unter Druck. Pensum? Das lässt sich nicht pauschalisieren. Am liebsten haben es die Objektleiter, wenn du einen Auftrag, der für den ganzen Tag geplant ist, innerhalb von 30 Minuten beendest, sodass er dich dann mit weiteren Aufträgen bombardieren kann. Des Weiteren habe ich in der Ausbildungszeit mit Rassismus kämpfen müssen. Wehe du hast es gemeldet. Dann schau, was die Gesellen mit dir gemacht haben.
Wie soll Work-Life-Balance und 40 Stunden Wochenarbeit plus Notdienst funktionieren?
Wenn du alle 4 Wochen für eine Woche Notdienst hast, kannst du hier nicht von Work-Life-Balance reden.
Erst recht nicht, wenn du in der Bereitschaftswoche mitten in der Nacht wie ein Zombie durch die Gegend fahren darfst.
Benefits? Ich habe bis jetzt nichts bekommen. Die Firmen bieten für Handwerker generell solche Benefits an:
"qualitative Arbeitskleidung", was sie generell für 20€ brutto und weniger einkaufen. Soll ich sonst mit Privatkleidung arbeiten?
"qualitative Werkzeuge" braucht man als Handwerker, da man sonst nicht arbeiten kann.
"qualitative Elektronik wie Smartphone oder Notebook", ähm ja.. muss ja irgendwie erreichbar sein und meine Berichte schreiben können.
"flexible Arbeitszeiten" genau... 40 Stunden plus Notdienst ist sehr flexibel.
"Kultur=Wertschätzung" was für eine Wertschätzung? Du bist und bleibst der kleine Handwerker.
"angemessene Vergütung" aja... das habe ich ja schon relativ oben aufgelistet.
"Weiterbildung" die Firma wird dich so lange wie möglich als Handwerker behalten wollen, da sie ja generell keine Leute finden. Eine Weiterbildung zum Meister oder Techniker gibt es in sehr wenigen Fällen.
"Ständig neue Abenteuer" Was habe ich davon? Zu mal du ständig das gleiche tust.
All das sind für mich keine Benefits. Das sind Sachen, die selbstverständlich sind.
Viele Büroleute betrachten nicht mal Obst am Arbeitsplatz als Benefit. Was soll ich dann sagen, wenn Handwerker nicht ein mal das bekommen, da wir generell unterwegs sind? Ist jetzt nicht so, dass ich es möchte. Aber für uns wäre das Luxus haha.
Ich könnte dir noch viel mehr erzählen. Aber das sollte genügen. Ich hoffe, dass ich deine Fragen beantworten konnte.