@Bennomatico nicht in unserem Wirtschaftssystem. Natürlich haben wir eine soziale Marktwirtschaft, deshalb wird ja auch so enorm viel nach unten subventioniert, aber die Grundordnung ist der Kapitalismus. Entlohnung erfolgt hier oberflächlich betrachtet nach Angebot und Nachfrage, etwas genauer betrachtet nach Notwendigkeit und RoI.
Die Austauschbarkeit von vielen Berufen, wie etwa Kassenarbeit, ist hoch. Die Einstiegshürden sind niedrig, das verfügbare Personal zahlreich und die Notwendigkeit ist rein dadurch gegeben, dass ein Teil der Produkte an der Kasse übers Band gezogen werden muss. Der Teil, der nicht Online bestellt, automatisch erfasst oder manuell von Kunden an Selbstbedienungskassen bezahlt wird. Eine tatsächliche Wertschöpfung findet in keiner Weise statt. RoI: negativ.
Gäbe es die Notwendigkeit nicht, ein Teil der Produkte über das Band zu ziehen, gäbe es den ganzen Beruf nicht mehr. Dadurch ergibt sich (und das trifft auf tatsächlich sehr viele Berufe zu) ein sehr niedriger Spielraum für das Gehalt (im Kapitalismus).
ascer schrieb:
Massig bezahlbarer Wohnraum, freies Ticket für öffentlichen Nahverkehr wie in Spanien, freie Bildung und ausreichend Kita-Plätze. Dann vielleicht noch günstigeren Sprit und Lebensmittel.
Solche Dinge wären grundsätzlich staatlich tragbar (das ist am Ende ja auch nur eine Frage davon, welche Ausgaben man priorisiert) und die würden die Notwendigkeit beenden, Tätigkeiten wie Kassenarbeit höher zu entlohnen.
AN in solchen Tätigkeiten beschweren sich ja nicht, dass sie sich keinen Porsche leisten können (das wissen sie auch selbst, dass das in ihrer Tätigkeit nichts wird), sondern dass sie keine Wohnung finden, die Heiz-/Stromkosten nicht mehr tragen können, Nahrung zu teuer wird, ...
TL;DR: Existenzängste.
Und die sollte niemand haben müssen, da könnte der Staat am effektivsten eingreifen.
Bennomatico schrieb:
Eine andere zulässige Leseart wäre übrigens, dass eigentlich die Unternehmenseigner massiv subventioniert werden, da ohne entsprechende Hilfen für das Prekariat, die Lohnstruktur so wahrscheinlich nicht durchsetzbar wäre. Wobei wir da wieder beim Thema Umverteilung von unten nach oben wären.
Ja und Nein.
Nein, denn so funktioniert weder unser Wirtschaftssystem noch wäre das in irgendeiner Art und Weise gangbar oder überhaupt entfernt realistisch, wenn man Wachstum und Wohlstand als Metrik sowie Investition als tragende Säule und Entscheider setzt.
Investition bedingt RoI, alles andere führt das ganze System ad absurdum.
Ja, wenn man andere Gesellschaftsordnungen an den Tag legen würde. Z.B. eine Technokratie, die technologischen Fortschritt und Effizienz/Nachhaltigkeit als Metriken setzt. Dort wäre das Prekariat allerdings wieder nur passiver Nutznießer (Wohlstand für alle durch Fortschritt). Wenn du auf aktives Nutznießen hinaus möchtest (deutlich mehr Geld z.B. für Prekariat oder überhaupt "alle bekommen ähnlich viel Ressourcen") geht das ausschließlich mit Systemen, die mehr oder weniger stark Richtung Kommunismus gehen.
...und da wissen wir ja schon, dass das nicht funktioniert.
Technokratie ist eine der wenigen Alternativen zum Kapitalismus, die machbar wären. In der Theorie könnte das sogar zu StarTrek-ähnlichen Utopien führen. Leider sind Technokratien schwer mit allgemeiner Demokratie vereinbar und darüber hinaus anfällig(er) für Totalitarismus.
TL;DR die Utopie ist möglich, aber der Weg dahin sehr steinig und die Erfolgswahrscheinlichkeit
sehr ungewiss. Viel wahrscheinlicher wird man auf dem Weg zur Utopie vom Weg abkommen und das System in einer Dystopie enden, bevor man zu Dingen wie Demokratie und Kapitalismus zurückkehrt.
Auf absehbare Zeit, denke ich, wird Kapitalismus weiterhin das Maß aller Dinge bleiben. Mit all seinen Vor- und Nachteilen.