Brauchen wir die Kirche(n) noch?

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@seppuku

Ich habe kein Problem damit, für mich nicht nachvollziehbare Gedankenwelten zu tolerieren.
Was mich stört ist die Präsens (Mixa,etc.) dieser Konstrukte in der Öffentlichkeit, Gesellschaft, Bildung und auch dem Grundgesetz. Ich empfinde Religionen als zu dominant. So ganz 100% sind wir eben doch noch nicht säkularisiert.

Kritik an Religion ist kein Schlechtreden. Kritik an Religion ist auch keine Beleidigung.

Glaube ist für mich ein anerzogenes Abhängigkeitsverhältnis. Ähnlich habe ich so ein z.T. blindes Vertrauen nur in China erleben dürfen; nur dass es sich hierbei um keine Religion, sondern um eine Ideologie gehandelt hat. Religion ist für mich per se falsch, da die Basis keiner Logik standhält und damit alles auf ihr Aufbauende eben unlogisch ist. Aber das ist nur meine Sichtweise, die niemand teilen muss.

Glaube bedeutet eben auch zu glauben, man brauche den Glauben.

MFG
 
rumpel: Ich stimme e-ding zu. Ich erwarte von einer Religion, dass sie ihren Platz kennt. Und heute, im 21. Jahrhundert, ist der nicht mehr in der Öffentlichkeit, sondern eine Privatangelegenheit geworden. Darüber kann man sicherlich streiten, aber aus meiner Sicht ist es für alle Beteiligten so angenehmer.
Natürlich ist es für Gläubige eine gute Erfahrung, wenn sie wissen, dass ihre Einstellung von den meisten geteilt wird und sie politische Unterstützung erfahren.
Aber wichtiger finde ich, dass Nicht- oder Andersgläubige dadurch respektiert werden, dass nicht ständig diese religiöse Präsenz in der Öffentlichkeit auftritt.

Und ich bin da kleinlich, mich regt schon der kleine A5-Zettel der katholischen oder evangelischen Kirche auf, der regelmäßig in meinem Briefkasten landet - und das obwohl ganz deutlich "KEINE WERBUNG" zu sehen ist.
 
Naja, und wer legt diesen "Platz" fest? Ein Atheist, dem der Brief der Gemeinde im Briefkasten schon zu viel ist? Ich verstehe das Problem wirklich nicht. Auf welche religiöse Präsenz in der Öffentlichkeit spielst Du an? Ist es falsch, wenn in einer Talkshow, in der es um Fragen der gesellschaftlichen Gerechtigkeit, der Ethik, Persönlichkeiten der Kirche eingeladen werden? Ist es falsch, wenn ein Ostergottesdienst im TV gezeigt wird? Wenn ja, schalte weg, denn es gibt Alternativen. Sollen diese Leuten ausgesperrt werden, weil sie die Dinge aus ihrer theologischen Sicht erläutern? Ist jemand, weil er religiös ist, allein deshalb lästig, dass er von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch macht? Sicher kann und muss man ggf. kritisch gegenüber den proklamierten Inhalten sein, diese Stimmen aber zu unterbinden beraubt uns eines faktisch vorhandenen Diskussionspartners in der Gesellschaft, und das kann auch kontraproduktiv sein, schon mal darüber nachgedacht?

Ich verstehe nicht, warum man das so verbissen sehen muss. Ich habe selbst mit der Kirche wenig am Hut, aber es gehört zum Pluralismus und zur Meinungsvielfalt, dass man geistigen Repräsentanten einer großen Zahl an Bürgern ihre Stimme in der Öffentlichkeit lässt.
 
rumpel01 schrieb:
Ich verstehe nicht, warum man das so verbissen sehen muss. Ich habe selbst mit der Kirche wenig am Hut, aber es gehört zum Pluralismus und zur Meinungsvielfalt, dass man geistigen Repräsentanten einer großen Zahl an Bürgern ihre Stimme in der Öffentlichkeit lässt.

Das sollte dann aber für alle Religionen und Glaubensrichtungen im Land gelten. Es existiert eine Kampagne für den Atheismus der scharf kritisiert wird. Bei christlicher Religionswerbung wird nichts gesagt. Wir sind von beiden Seiten aus gesehen leider noch weit davon entfernt alle Meinungen zu akzeptieren. Die Kirchenoberen steuern leider allzuoft ihren Teil dazu bei. Wenn man den Papst reden hört braucht man sich nicht wundern warum einige die Meinungen der Kirche nicht zulassen wollen. Und er ist nicht der einzige.
 
Volle Zustimmung. Diese Problematik kann aber nur durch den gesellschaftlichen Diskurs mit den Kirchen/Religionsgemeinschaften gelöst werden, nicht durch dessen Unterbindung und des Verschiebens dieser Konflikte in die Privatheit des Einzelnen. Auch wenn gerade die katholische Kirche immer wieder betont, eine Art "unbewegliche Konstante" in der Moderne darzustellen, so ist öffentlicher Druck im 20. Jh. u.a. für die Ergebnisse des 2. ökumenischen Konzils verantwortlich. Ein wichtiges Symbol etwa, das Tragen der Tiara, also der Papstkrone, die den weltlich-politischen Führungs-Anspruch des Vatikans versinnbildlicht hat, wird heute von den Päpsten abgelehnt. Und das ist nur ein Beispiel.

Es verändert sich also durchaus etwas, aber das geht nur, wenn man darüber diskutiert bzw. die Kirchenoberen in ihren Meinungen an die Öffentlichkeit zerrt und auf eine angemessene Reaktion auf gesellschaftliche Entwicklungen pocht.
 
rumpel01 schrieb:
Ist es falsch, wenn in einer Talkshow, in der es um Fragen der gesellschaftlichen Gerechtigkeit, der Ethik, Persönlichkeiten der Kirche eingeladen werden? Ist es falsch, wenn ein Ostergottesdienst im TV gezeigt wird? Wenn ja, schalte weg, denn es gibt Alternativen. Sollen diese Leuten ausgesperrt werden, weil sie die Dinge aus ihrer theologischen Sicht erläutern? Ist jemand, weil er religiös ist, allein deshalb lästig, dass er von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch macht?

Um diese Art der Präsens geht es nicht. Das sind Grundrechte, die jedem zustehen und von denen Gebrauch gemacht werden kann. Die Präsens, auf die ich angespielt habe, ist eine andere. Weshalb wird Religionsfreiheit explizit im GG erwähnt? Art. 2 und Art. 5 sichern Religionsfreiheit doch bereits zu. Weshalb die Sonderstellung? Was hat "Gott" in der Präambel des GG eines säkularen Staates verloren?
Der Religionsunterricht ist ein weiteres Beispiel. Weshalb wird die Kirchensteuer über den Staat eingezogen? Wozu existiert der § 166 StGB? Wie kann ich etwas beleidigen, was nach meiner Auffassung nicht existiert?

Mir ist es egal ob es BibelTV gibt oder der Papst Kondome blöd findet. Einem Großteil kann man sich durchaus leicht entziehen. (Mich regen die Reparaturserviceflyer genauso auf, wie die von der ev. Kirche ;))

Ich sehe auch einen Diskurs mit Religionsvertretern eher skeptisch. Was soll da diskutiert werden? Die elemantare Grundannahme bzgl. der Existenz Gottes sind gegensätzlich und da spielt es keine Rolle, ob der Papst auf die Tiara verzichtet.

MFG
 
Die elemantare Grundannahme bzgl. der Existenz Gottes sind gegensätzlich und da spielt es keine Rolle, ob der Papst auf die Tiara verzichtet.

Ich habe nicht das Bedürfnis, andere von der Nichtexistenz Gottes oder vom Gegenteil zu überzeugen, Du etwa? Wozu sollte das gut sein? Die grundsätzliche Annahme ist für den Diskurs unerheblich, da dieser insofern eine Notwendigkeit darstellt als dass die Kirche bzw. ihre Anhänger in dieser Gesellschaft eine faktische Position annehmen, die man nicht wegdiskutieren kann. Sie sind einfach da, also muss man sich mit ihnen auch in Fragen der Art und Weise, wiewir unsere Gesellschaft gestalten wollen, auseinandersetzen, und genau darum geht es. Wer diesen Diskurs ausschlägt, ignoriert, ja missachtet die geistige Identität eines Großteils der Bevölkerung, und da darf man sich dann schon die Frage gefallen lassen, ob man es da nicht mit dem Gefühl der Überlegenheit gegenüber Gläubigen doch nicht etwas übertreibt.

Ich habe auch kein Problem mit den besagten Artikeln. Niemand muss hier Mitglied in der Kirche sein, also muss er dann auch keine Kirchensteuern zahlen. Die immer noch tiefe Verankerung der Kirchen in unserer Gesellschaft ist eine Tatsache, der unsere Verfassung Rechnung trägt, sie zu leugnen, lohnt eigentlich nicht.

Wie kann ich etwas beleidigen, was nach meiner Auffassung nicht existiert?

Weil Deine Meinung nicht absolut ist. Der Text lautet:

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Ich sehe darin keine Exklusivität der christlichen Kirchen. Die Rechte hören eben da auf, wo die Würde des anderen verletzt wird, ganz einfach. Das ist die Stärke unserer Verfassung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was die Kirchensteuer angeht - Denkt u.a. mal darüber nach, was mit der alles finanziert wird! Diakonische Einrichtungen, Hospize... Viele Dinge die unser Sozialwesen verbessern und dort stehen wo der Staat nicht ist
 
Irgendwer hat mir mal als Beispiel gesagt das 2/3 der Kirchensteuer für die Verwaltung draufgehn diese einzutreiben. Sinnvoll nicht ?

Außerdem wenn jemand an Gott glauben will, oder sich an christliche "Regeln" hält muss er nicht automatisch Mitglied in dieser Gemeinde sein und somit auch keine Kirchensteuer zahlen.
Auch wird dich kein Pfarrer aus der Kirche werfen wenn du nicht Mitglied bist da er es ja nicht weiß und damit man sich dann nicht schlecht fühlt wirft man was in den Spendenkorb.

Für mich ist die Kirchensteuer nicht der Grund warum ich nicht an Gott glaube.
Selbst wenn ich an ihn glauben würde, würde ich die Kirchensteuer sicher nicht bezahlen auch wenn man bedenkt wen man sie zu verdanken hat.
 
Mir ging es mit dem Post darum, darauf hinzuweisen, dass mit der Kichensteuer mehr bezahlt als nur die Kirche sondern auch vielen anderen Menschen helfen kann.
Bei Betrachtung dieses Aspekts würde ich sogar die Kirchensteuer bezahlen, auch wenn ich nicht an Gott glauben würde.
 
Wem denn?

http://de.wikipedia.org/wiki/Kirchensteuer_(Deutschland)

1919 wird die Kirchensteuer in der Weimarer Reichsverfassung verankert. In Artikel 137, Absatz 6 heißt es: „Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.“ Das Reichskonkordat von 1933 zwischen Hitler und dem Hl. Stuhl sicherte der katholischen Kirche weiterhin das Recht auf Erhebung von Kirchensteuern zu (Schlussprotokoll zu Artikel 13). Während im nationalsozialistischen Deutschland die Bestrebungen eher dahin gingen, regimefeindliche Religionen zu unterdrücken, blieb die Kirchensteuer unangetastet, und die Lohnsteuerkarte wurde erweitert um den Eintrag „Konfession“. Erst zum 1. Dezember 1941 beschloss die Reichsregierung per Gesetz, die staatliche Mithilfe bei der Erhebung der Kirchensteuer zu verweigern, beließ jedoch den Eintrag auf der Lohnsteuerkarte. Das führte 1943 beispielsweise in Bayern dazu, die Kirchensteuer wieder durch eigene Kirchensteuerämter einzutreiben. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland übernahm 1949 durch seinen Artikel 140 die Weimarer Regelung. Es heißt dort: „Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.“

Was ist an der Verfassung Weimars so verwerflich? :confused_alt:
 
Man sollte nicht alles glauben was die Leute einem erzählen :D

Ich war zwecks Kirchensteuer anscheinend falsch informiert und habe gedachte das Hitler diese eingeführt hat aber anscheinend hat er nur das System der einhebung verändert wenn ich das jetzt richtig verstanden habe.
 
Dabei stelle ich mir dann die Frage, warum ausgerechnet eine religiöse Gemeinschaft für Einrichtungen wie z.B. die oben genannten Hospize usw. zuständig sein muss.
Sollte sowas nicht eigentlich auch der "Sozialstaat" leisten könen?
Und warum gibt es z.B. getrennte Kindergärten für evangelische/katholische Kinder, obwohl die von der Religion ihrer Eltern noch überhaupt keine Ahnung haben?

Diese Fragen sollten sich meiner Meinung nach mal die Herren im Bundestag stellen, besonders diejenigen, die einer sogenannten "sozialdemokratischen" Partei angehören.
 
-Mercurio- schrieb:
Dabei stelle ich mir dann die Frage, warum ausgerechnet eine religiöse Gemeinschaft für Einrichtungen wie z.B. die oben genannten Hospize usw. zuständig sein muss.
Sollte sowas nicht eigentlich auch der "Sozialstaat" leisten könen?
Und warum gibt es z.B. getrennte Kindergärten für evangelische/katholische Kinder, obwohl die von der Religion ihrer Eltern noch überhaupt keine Ahnung haben?

Der Staat an sich kann nun mal nicht alle Aufgaben, die eine moderne Gesellschaft mit sich bringt alleine erfüllen. Ich sehe auch keinen Sinn darin, dass der Staat die Trägerschaft solcher Einrichtungen übernähme. Denn nach meiner Erfahrung spielt die Konfession eines Kindes - um jetzt die Kindergärten als Beispiel zu nehmen - keine Rolle.

Daraus leite ich die Frage ab:
Warum sollte der Staat das gesamte "Sozialwesen" übernehmen, wenn es bereits zufriedenstellend und ohne Beschränkungen hinsichtlich der Konfession in der Trägerschaft von NGOs liegt ?

Ich gehe selber auf eine katholische Privatschule (das heißt absolut nicht, dass ich religiös wäre ;) ). Es ist irrelevant welche Religion die Schüler haben, das einzige Ausschlusskriterium ist Religionslosigkeit der Kinder.
Man kann sicher darüber streiten inwiefern so etwas gerechtfertigt ist, aber ein gewisses Verständnis habe ich in diesem Fall schon dafür.

cya
 
Ich will ja auch nicht, dass der Staat ALLE Einrichtungen des zivilen Lebens kontrolliert wie z.B. in der DDR, wir wollen ja keinen ideologisch durchgeformten Nachwuchs mehr, aber aktuelle politische Debatten bezüglich Kinderkrippen zeigen ja, dass auch in diesem Sektor durchaus Nachholbedarf besteht und dass die Kirchen das nicht alleine schultern können.
 
rumpel01 schrieb:
Ich habe nicht das Bedürfnis, andere von der Nichtexistenz Gottes oder vom Gegenteil zu überzeugen, Du etwa?

Nö, missionarisch bin ich eher selten unterwegs.

rumpel01 schrieb:
Die immer noch tiefe Verankerung der Kirchen in unserer Gesellschaft ist eine Tatsache, der unsere Verfassung Rechnung trägt, sie zu leugnen, lohnt eigentlich nicht.

Würde ich diese Verankerung leugnen, gäbs keinen Grund, Kritik zu üben. Nochmal; ich stelle alle Religionen an sich und die gesellschaftliche Vernetzung in Frage, nicht aber die Rechte von Gläubigen, ihr Leben zu gestalten. Religionen haben in Deutschland noch immer eine Sonderrolle und werden in vielen Bereichen bevorzugt. Mir fällt da spontan noch die steuerrechtliche Behandlung ein. Weshalb werden Religionsvereinigungen nicht wie Vereine behandelt? Welchen Einfluß hätte dies auf die Kirche oder die Gläubigen an sich?


rumpel01 schrieb:
Ich sehe darin keine Exklusivität der christlichen Kirchen. Die Rechte hören eben da auf, wo die Würde des anderen verletzt wird, ganz einfach. Das ist die Stärke unserer Verfassung.

Die Würde von Menschen ist unantastbar, laut deutschem GG (eine Verfassung will Münte doch grad erst einführen wenn ich mich nicht täusche ;)).
Die Würde von Institutionen oder Organisationen kann ich nicht verletzen; sie haben keine.
Beleidigung ist im StGB bereits verankert. Der §166 StGB gesteht Religionen wieder eine Sonderrolle zu, die so nicht notwendig ist. Weshalb findet ein Paragraph, der die Beleidigung religiöser Anschauungen formuliert, nicht auch auf ideologische Weltanschauungen Anwendung? (nicht das ich denke, dass dies notwendig wäre)

Mir ist durchaus bewusst, dass Mitteleuropa aufgrund seiner historischen Entwicklung religiös geprägt ist. Wer allerdings den Anspruch hat, ein säkulares Staatsgebilde zu sein, sollte dies auch konsequent in allen Bereichen vorantreiben.

MFG
 
Die Würde von Institutionen oder Organisationen kann ich nicht verletzen; sie haben keine.

Aber von Menschen, die ihnen angehören. Deren Identität ist bedingt durch die religiöse Gemeinschaft und ihre Grundlagen. Beleidigt man die Gemeinschaft bzw. ihre Grundlagen, beleidigt man auch die Individuen, die dahinter stehen. Und dies würde vom "Beleidigungs-Paragraphen" so nicht erfasst.

Weshalb findet ein Paragraph, der die Beleidigung religiöser Anschauungen formuliert, nicht auch auf ideologische Weltanschauungen Anwendung?

Lies nochmal:

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Konkrete Anwendung kann das erst finden, wenn jemand klagt und Recht bekommt. Die juristische Grundlage dafür ist aber vorhanden.

Im übrigen habe ich sonst wenig gegen Deine anderen Ideen. Über eine steuerrechtliche Anpassung könnte man diskutieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
@rumpel01

Ups! Stimmt! In Bezug auf die Interpretation des § 166StGB war ich zu oberflächlich. Sorry!

MFG
 
Die hier aufgestellte Problematik ist sehr tiefgehend und teilweise auch recht kontrovers.
Es gibt Leute, die sagen, dass wir keine Kirchen brauchen, und andere behaupten das Gegenteil. Jede Gegenposition muss zunächst einmal versuchen sich in den jeweils anderen hineinzuversetzen, um zu einer weniger radikalen und sachlichen Einschätzung zu kommen.

Ich spreche zunächst einmal nur von Kirche als Institution für sich:
Welche Aufgaben übernimmt die katholische sowie die evangelische Kirche in der Bundesrepublik?
Dies alleine auf Seelenheil zu beschränken ist eine nicht haltbare Verallgemeinerung. Zunächst lässt sich für viele Menschen der Begriff Seelenheil mit dem Begriff Seelsorge im psychologischen Sinn ergänzen. Die Kirche oder besser eine Kirche inkl. Belegschaft ist u.A. auch dafür da vielen Leuten Antworten auf Fragen bezüglich Verhaltensweisen und Zwischenmenschlichkeiten zu geben. Auch die Bundesrepublik baut auf christlichen Grundsätzen auf und die Kirche dient oder diente primär der Erhaltung dieser Grundsätze.
Desweiteren verkauft bzw. bedient die Kirche (genauso wie eine Moschee und Synagoge) gewisse menschliche Urinstinkte, so zum Beispiel den Herdentrieb/ "Wir"-Gefühl. Sicherlich hat sich dieser Aspekt mit der Zeit auch ein wenig gewandelt - gerade in Anbetracht der Neuzeit. Man geht inzwischen nicht zwangsläufig von "Wir alle glauben" aus, pauschal geht es darum behaupten zu können "Ich bin nicht allein." bzw. "Ich bin ein Teil von etwas (großem)." (Wer jetzt an seine Firma denkt, dem sei gesagt, dass das wieder etwas anderes ist.)

Nichtsdestoweniger engagiert sich die Kirche im sozialen Bereich. Man denke an Kinderkrippen, Jugendzentren/ -einrichtungen, Krankenfahrdienste, Krankenpflege, Altenpflege u. div.;
Die Kirche ist in manchen Bereichen sogar so stark vertreten, dass sie auf Kommunalebene sogar ein nicht weg zu denkender Teil der Infrastruktur sind. Deswegen ist es auch zweifelhaft anzunehmen, dass Kirche nur ein Gebäude sei, welches gewisse Menschengruppen regelmäßig aufsuchen um sich dort bezirzen zu lassen. Kirche ist eine Institution - und zwar eine gewaltige, gerade in der Bundesrepublik.
Ich will mir nicht ausmalen auf welche strukturellen Probleme Deutschland stoßen, wenn es eine Kirche mittelfristig nicht mehr geben würde.

Wenn es um Glauben geht, scheiden sich ja bekanntlich seit Anbeginn der Zeit die Geister. Glauben ist an sich eine ziemlich komplizierte (und für mich oft ebenso widersprüchliche) Sache. Glauben heißt nicht wissen, (weswegen ich auch Atheist bin). Aber Glauben kann für viele Menschen Vertrauen heißen. Nicht nur der christliche Glauben nimmt den Leuten [heute(!!!)] ihre Angst, und zwar auch die Angst vor der ultimativen Veränderung: Dem Tod. Das macht gläubige Christen allerdings nicht leichtsinnig, denn allein ihr Gott entscheidet über Leben und Tod. Selbstverletzung, das Töten anderer oder die Selbsttötung bedeuten die Ausgrenzung aus dem Paradies. Dies ist bei so gut wie allen Religionen der Fall, also der Respekt vor dem Leben und dessen "Unantastbarkeit".
[Wer jetzt an den islamischen "Heiligen Krieg" denkt, dem sei gesagt, dass dies eine (Fehl-)Interpretation des Koran von einer winzigen islamisch-fundamentalistischen Minderheit ist. Der Islam ist in seinen Grundfesten einer der friedlichsten Religionen überhaupt. - Man denke an die letzten 2000 Jahre und vergleiche die (Schand-)Taten der einzelnen Religionen miteinander]

Summa Sumarum möchte ich zusammenfassen:
Ja, die Kirche hat ihre Daseinsberechtigung und ist in vielerlei Hinsicht langfristig nicht ersetzbar. Hinter Kirche steckt nicht nur das Produkt Glauben. Ob Glauben nun richtig ist oder falsch, muss jeder mit sich selbst ausmachen und nichtsdestoweniger sollte jeder den Anspruch eines anderen an (irgend)einen Glauben respektieren. Glauben kann nämlich Grundbedürfnis sein, wie es für einen anderen das Computerspiel ist. Aber auch hier gilt meiner Meinung nach, dass Extremismus, in etwa die Respektlosigkeit gegenüber anderen Glaubensrichtungen sowie das Ausblenden rationaler (Gegen-)Argumente und Ignoranz im Allegemeinen immer der verkehrte Weg ist.

Abschließend möchte ich ausgerechnet ein Zitat Buddhas bringen:
"Spannst du eine Saite zu stark, wird sie reissen. Spannst du sie zu schwach, kannst du nicht auf Ihr spielen."
 
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In Bezug auf den Islam muss ich dir hier leider klar widersprechen. Im Koran wird nämlich vielfach ausdrücklich die Tötung "Ungläubiger" gefordert.
Die Aussage, dass es sich dabei um eine "Fehlinterpretation" handelt wird zwar in den Medien häufig propagiert, ist aber wohl eher auf übermäßige politische Korrektheit denn auf Sachkenntnis zurückzuführen. Ich will hier keine Propaganda machen, aber ich könnte eine ganze Reihe von Büchern und Websites nennen, in denen diese Tatsache auch als solche hingestellt wird.

Hier nur eine kurze Auswahl:

http://islamprinzip.wordpress.com/about/

http://www.pi-news.net/wp/uploads/2007/10/islam_christentum.pdf

http://www.ave-zentrum.org/
 
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