rocketfoxx schrieb:
Von sich aus wissen die Landkreise ja nur sehr sehr grob, wo die Problemzonen sind.
Die wissen ja oftmals nichtmal genau, wie viele Haushalte da jetzt überhaupt dahinter stecken.
Das ist ein unglaublicher Sumpf, dazu könnt ich seitenlang schreiben. Von Ingenieurbüros, die die fünfstelligen Beraterhonorare einstreichen, aber keine Koordinatenbezugssysteme kennen oder irgendwas als Google-Earth-Datei geschickt haben wollen.
Den meisten muß man erst mal klarmachen, daß es nicht den einen gottgegebenen Adreßdatensatz ohne Fehler gibt, sondern mindestens so viele wie Adreßhandelsfirmen existieren. Was ist eine Adresse? Ein Haus, ein Schuppen, eine Garage, eine Notrufsäule, wo zieht man die Grenze? Für den Zweck der Breitbanderschließung ist alles eine Adresse, was eine Telephonleitung, einen APL hat. Weil das aber nicht zwingend etwas Bewohnbares ist wie eben z. B. ein Schuppen, es die Telekom aber trotzdem in ihren Adreßlisten führt, kommt es immer wieder zu Mißverständnissen und unterschiedlichen Datensätzen.
Die Telekom stellt Wettbewerbern zwar Adreßlisten von KVz auf Beantragung zur Verfügung, diese enthalten allerdings keine Koordinaten. Dazu kommt, daß die Namen von Gemeinden, Straßen, Hausnummern und Ortsteilen der Realität etwa von Eingemeindungen oder Umwidmungen um Jahre hinterherhinken. Von Bezeichnungen wie „Landstraße 0“ oder „Außerhalb 999“, mit denen kein Mensch was anfangen kann, mal ganz abgesehen. Gefühlt sind 10 % der Telekom-Adreßdaten falsch. Weil die Telekom aber die einzige Quelle für die Information ist, welches Gebäude einen APL hat und wie lang die TAL zu ihm ist, sitzt man am Ende häufig da und darf amtliche Adressen mit denen der Telekom in Einklang bringen. Was nie funktioniert.
Sowieso: Amtliche Adressen. Die zuständigen Beamten vom Bau- oder Wirtschaftsförderungsamt sind noch ahnungsloser als die Beraterbüros. Sie selbst haben keinen Schimmer, wieviele Personen in wievielen Haushalten an welchen Adressen wohnen und bei wem davon wieviel Mbit/s ankommen, aber du als Internetbude sollst das wissen und ihnen eine vollständige Planung für die Erschließung derer aufstellen, die die Aufgreifschwelle von 30 Mbit/s nicht erreichen.
Am lustigsten ist es ja, daß die Ausschreibungsmaterialien häufig gar keine Adreßlisten enthalten, sondern nur Geodaten, die man in sein
GIS einspielt. Das sind in den meisten Fällen Polygone um die Punkte gezogen, die es zu erschließen gilt. Darf man sich ungefähr so vorstellen:
Das Wahnwitzige daran ist nun, daß die ausschreibende Verwaltungseinheit die Adreßpunkte mit Bezeichnung und Koordinaten vorliegen hat, diese aber nicht in den Unterlagen zur Verfügung stellt, sondern um diese Punkte ein Polygon zeichnet und dann sagt: „In diesem Polygon gibt es unterversorgte Haushalte. Welche und wieviele, sagen wir euch aber nicht.“ Dann nimmt jeder Ausschreibungsteilnehmer die Polygone, spielt sie in sein GIS ein, legt seine persönlichen Adreßpunkte darunter und bestimmt darüber, welche Punkte beplant werden müssen. Das ist völlig irrsinnig, weil man dann unvergleichbare Ergebnisse erhält, da jeder Teilnehmer den Datensatz eines anderen Adreßdienstleisters verwendet. Dann geben Teilnehmer A, B und C ihre Projektierung ab. Die von A enthält 1285 Punkte, die von B 1347 Punkte und die von C 1139. Selbverständlich kommen alle auf unterschiedliche Ausgaben, aber der Punkt ist, daß sich die Angebote dank uneinheitlicher Grundlage nicht objektiv vergleichen lassen.
Noch schöner wird das nur durch die Tatsache, daß das Bundesland seit ein paar Jahren die amtlichen Adressen inklusive Koordinaten, Straßenschlüssel etc. unter dl-de/by-2-0-Lizenz zur freien Nutzung zur Verfügung stellt. Würden alle Teilnehmer diesen Datensatz nutzen, hätte man eine faire, neutrale Grundlage für alle. Aber nee, muß wieder jedes Amt seine Extrawurst braten.
Die Materialvorgabe und den GIS-Nebenbestimmungen wurden von Theoretikern in Berlin geschrieben, die sich außer
Bodenklasse 1 wie im Brandenburgischen Sand nichts anderes vorstellen können.
</rant>
Nachtrag:
rocketfoxx schrieb:
Grundsätzlich haben sich die Anbieter schon vor der Ausschreibung (siehe auch
@T1984 s Beitrag) im MEV committed, dass sie eigenwirtschaftlich im Fördergebiet nicht ausbauen wollen.
Prinzipiell richtig. In den Richtlinien sind allerdings keine Strafen für die Situation vorgesehen, daß sich ein Teilnehmer nicht an seine Aussage hält. Wir hatten hier die lustige Situation, daß mitten im Verfahren plötzlich ein eigenwirtschaftlicher Ausbau durch die Telekom stattfand, der so vorher nicht angezeigt worden war. Der Wettbewerber darf dann zwar diese Infrastruktur mit Fördergeldern überbauen, allerdings ist es bei den meisten Kunden so, daß sie wechselunwillig sind und der erste, der kommt, auch mahlt. Genau darauf hat die Telekom dabei auch spekuliert, Fakten geschaffen und Kunden gewonnen, bevor das Verfahren abgeschlossen war. Hat zum Doppelausbau und Verschwendung von Steuergeldern geführt.