Ende letzten Jahres gab es einen äußerst interessanten
Artikel über Amazon in der ZEIT. Das Schlimme ist, außer den schlechten Arbeitsbedingungen und der miesen Bezahlung, dass der Steuerzahler teilweise das Gehalt von den Arbeitnehmern bei Amazon übernimmt. Die Kommunen freuen sich zuerst über die Ansiedlung von Amazon weil dann die Arbeitslosenstatistik sinkt. (Wichtig ist mal wieder nur die Außenwirkung, alles muss schön aussehen, "Arbeitslosigkeit? - Gibt's bei uns nicht! Wir SCHAFFEN Arbeitsplätze." - Aber nach der Würde der Arbeitnehmer fragt niemand.) Das Tolle für Amazon ist, dass sie nichtmal mehr eine eigene Personalabteilung brauchen, denn die örtliche Arbeitsagentur ("Jobcenter") stellt Amazon einen Personal-Stab zur Seite (Zugeständnis an Amazon, damit sich dieser "tolle" und große Arbeitgeber örtlich ansiedelt) und übernimmt freiwillig die Aufgaben, für die Amazon eigentlich selbst verantwortlich ist . Auch hier übernimmt der Steuerzahler praktisch die Kosten. Und Amazon ist fein raus. Amazon vermindert das wirtschaftliche Risiko auf diese Weise extrem. Die Risiken und die Verantwortung tragen dann letztlich fast alleine die Arbeitnehmer, die Kommune, der Steuerzahler.
Und Amazon wird sich nur ansiedeln und "Arbeitsplätze" schaffen, wenn Zugeständnisse seitens der Politik gemacht werden. Extreme Zugeständnisse. Nun könnte man sagen, dass das Erpressung ist. Und tatsächlich hat das etwas Erpresserisches, denn "alle anderen" (großen) Konzerne handeln genauso und können so handeln - und am Ende hat der zuständige Politiker oder Beamte einfach Schiss, dass er Schuld daran ist, wenn es keine Arbeitsplätze gibt, keine neuen geschaffen werden, v.a. die Statistik nicht schön aussieht. Aber verantwortlich sind auch die gewählten (Kommunal-)Politiker, die ihr Gewissen verkaufen und oder mit der Ansiedlung einer Firma wie Amazon die großen Gewerbesteuereinnahmen und den schnellen Schuldenabbau sehen. Dabei könnte dieses Geschäft auch ein Minusgeschäft werden (günstiges Grundstück, Bauamt stellt Personal und Material, Infrastruktur, Personalkosten übernimmt teilweise der Steuerzahler, Beamten aus dem Jobcenter arbeiten praktisch für Amazon, Steuervergünstigungen, neuer Wohnraum wurde noch gar nicht geschaffen, Fördergelder für ein finanziell potentes Unternehmen, weitere Zugeständnisse und Vergünstigungen - wir reden hier nicht mehr nur von "Investition in die Zukunft).
Letztlich ist aber auch "der" Bürger "schuld", der nicht mehr fähig ist Kritik zu üben. Nicht mehr richtig Kritik zu üben. Denn es handelt sich hier um relativ komplizierte Sachverhalte. Es ist aber einfach, auf den sog. H4rtzern rumzuhacken. Einfacher, als sich über das "große Ganze" Gedanken zu machen. Erst durch die soziale Ausgrenzung von Arbeitslosen und dem Nehmen von Menschenwürde wird dem verantwortungslosen(!) Handeln und der Gehaltspolitik von Amazon und anderen Tür und Tor geöffnet. Anstatt dass "wir" jemandem sagen, "Mutig, dass du dich da NICHT bewirbst, NICHT für diese würdelose Arbeit bewirbst. Wenn das alle so machen würden, ändert sich vielleicht mal etwas.", heulen "wir" selbst rum, wie hart "wir" doch alle selbst arbeiten und wieviel Steuern wir doch alle zahlen müssen, und dass der faule Sack von nebenan seinen Arsch hochkriegen soll. "6€ Stundenlohn? Besser als nix. Ich hab doch selbst kaum was, kann mir ja nicht mal einen Mercedes leisten. Ich habs doch selbst so schwer und mach jeden Tag unbezahlte Überstunden. Und nächsten Monat kommt das neue iPhone oder Galaxy raus!!" Es wird sich darüber beschwert, dass Arbeitslosen Steuergelder "in den Rachen" geschoben werden, aber dass z.B. auch ein äußerst solventes(!) Unternehmen wie Amazon indirekt Steuergelder in den Rachen geschoben bekommt, daran denkt kaum einer, das weiß kaum einer. (Ich jedenfalls sehe es lieber, wenn Steuergelder für den einzelnen Bürger (Arbeitslose, Obdachlose, Kranke, etc.) in Not ausgegeben werden, aber nicht für ein solventes Unternehmen, dem es äußerst gut geht!) Es ist eben einfacher alles mitzumachen und "ja" zu sagen, als auch sich selbst mal in Frage zu stellen. Die kognitive Dissonanz wird dann lediglich damit abgebaut, dass man gegenüber Anderen, Mitmenschen, "Konkurrenten" abschätzig ist.
Hier ein paar Zitate aus dem ZEIT-Artikel:
[...] Die Arbeitsagenturen muss ein solches Gebaren nicht interessieren. Sie sind froh um jeden, der aus ihrer Statistik verschwindet. So auch in Nordrhein-Westfalen, wo Amazon zwei Warenlager betreibt. Die Vermittler kamen dem Unternehmen sogar mit einer speziellen Förderung entgegen: den sogenannten Maßnahmen beim Arbeitgeber, im Amtsdeutsch kurz MAGs genannt.
Eine solche MAG dauert in der Regel zwei Wochen und hat für den Arbeitgeber den Vorteil, dass er in dieser Zeit die Personalkosten spart. Die vom Amt geschickten Arbeitslosen erhalten ihre Leistungen weiterhin von der Behörde. Das Unternehmen kann dann am Ende entscheiden, ob es den Bewerber einstellt – oder auch nicht. Amazon konnte davon im vergangenen Jahr in fast 3.000 Fällen profitieren. Das geht aus einer Unterrichtung der Bundesagentur für Arbeit an den Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages hervor.
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Voll des Lobes war etwa Landrat Alexander Saftig in Koblenz: »Ein so großer Akteur verlangt natürlich nach optimalen Rahmenbedingungen, sonst geht er woanders hin. Die Vorarbeit muss auf den Punkt sitzen. Da haben unsere Wirtschaftsförderung und die Bauabteilung wirklich ganze Arbeit geleistet. Das wird dem Arbeitsmarkt der Region einen Schub geben«, ließ er die lokale Presse wissen. Mit der motivierten Kooperation der Jobvermittler kann Amazon immer rechnen. Der Konzern ist es gewohnt, dass die Ämter spezielle Stäbe bilden, die ihm bei der Personalbeschaffung behilflich sind. In Koblenz sichten sechs Angestellte der Behörde seit Monaten Bewerbungsunterlagen. [...]