Vielleicht machen wir uns das Ganze viel zu schwer. Es ist doch eigentlich sinnlos, sich über alle möglichen Hintergründe und Aspekte des Urheberrechts den Kopf zu zerbrechen, wenn das Ganze schon von vornherein an ganz simplen Fakten scheitert.
Die Kernfrage bei der angestrebten Reform ist ja, ob man private, nicht kommerzielle Kopien und deren Verbreitung (z.B. durch Filesharing) weiterhin kriminalisieren soll oder nicht.
Wenn man das kriminalisiert, wenn man also den Urhebern und Verwertern per Gesetz das Recht zugesteht, zu kontrollieren, was alle Menschen der Welt privat an Informationen untereinander austauschen, dann muss man das auch irgendwie effektiv durchsetzen.
Das bedeutet im Klartext, dass man totale Überwachung und Zensur braucht. (Das wird ja auch immer wieder von der Rechteverwertungsindustrie eingefordert.) Beides sind Einschnitte in die Bürger-/Menschenrechte, die per Grundgesetz entweder gar nicht erlaubt sind, oder nur dann, wenn ansonsten gleich- oder höherrangige Grundrechte (Recht auf Leben usw.) gefährdet sind.
Diese Gefährdung sehe ich beim Thema Urheberrecht, bzw. speziell der Legalisierung von privatem Austausch, nicht. Hier werden ja nicht die Eigentumsrechte des Urhebers (Urheberpersönlichkeitsrechte) berührt, es wird nur kopiert und nichts gestohlen, sondern schlimmstenfalls die Möglichkeiten der kommerziellen Verwertung und die sind durch kein Grundrecht garantiert.
Für mich ist die Sache damit klar. Es ist sinnlos, etwas zu kriminalisieren, wenn man das Verbot sowieso nicht durchsetzen kann, ohne dabei höherwertiges Recht zu verletzen.
Ein schönes Beispiel dafür findet sich z.B. im ACTA-Text, Abschnitt 5,27,3:
"Jede Vertragspartei ist bestrebt, Kooperationsbemühungen im Wirtschaftsleben zu fördern,
die darauf gerichtet sind, Verstöße gegen Markenrechte, Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte wirksam zu bekämpfen und gleichzeitig den rechtmäßigen Wettbewerb und – in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften der jeweiligen Vertragspartei – Grundsätze wie freie Meinungsäußerung, faire Gerichtsverfahren und Schutz der Privatsphäre zu beachten."
Es soll also vom Staat gefördert werden, dass Rechteverwerter und Internetprovider Abkommen über effektive Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen schließen. Diese Maßnahmen dürfen aber weder Grundrechte verletzen noch rechtsstaatliche Grundsätze oder auch nur die Wettbewerbsfähigkeit des Providers einschränken. (Bemerkenswert übrigens, dass das extra erwähnt werden muss.)
Toll.
Dafür hätte ich dann doch gerne mal ein Beispiel gelesen, wie das aussehen soll. Wenn jemand so was parat hätte, wäre die ganze Debatte wohl mit einem Schlag beendet.
Das klingt für mich nach "Wasch mich, aber mach mich nicht nass."
Typisch ACTA übrigens. Dieser Vertrag ist so schwammig und in sich widersprüchlich formuliert, dass man Alles und Nichts hineininterpretieren kann.