Als jahrelanger Appleuser ist das 5S für mich ein zwiespältiges Gerät. Es ist eine konsequente und logische Fortentwicklung, aber man vermisst das offensichtlich Neue. Statt die Optik zu verändern hat man unter der Haube ein komplett neues Gerät entwickelt. Es ist gleichzeitig der Höhepunkt der 4" Ära und dazu der heimliche Beginn einer neuen Gerätegeneration.
Geradezu winzig wirkt es gegen die Übermacht der 5" Boliden, die schwindelerregende Specs vorweisen können und dem iPhonekunden zeigen, was möglich wäre, wenn Apple denn nur wollte. Aber sie wollen nicht. Anstatt zu vergrößern, zu verändern, sich zu öffnen und zu wagen, hat man das iPhone 5S auf Nummer sicher gebaut. Die Designsprache ist weiter edel und kompakt und man muss annehmen, dass Apple seine Kunden kennt, denn abseits der technikaffinen Nerds gibt es unglaublich viele Anwender, die in ihrem Smartphone eben keinen Minicomputer sehen, sondern einfach nur ein sehr wichtiges Gerät, welches man jeden Tag gefühlt hundertmal in die Hand nimmt. Männer wie Frauen müssen es bedienen, müssen es verstehen können und Apple sieht nach wie vor bei 4" das Optimum. Das muss man als fortschrittsfreudiger Nutzer erst einmal verdauen.
Ein iPhone muss sich vertraut anfühlen und bedienen lassen und in dieser Hinsicht ist iOS7 das größere Wagnis gewesen. Doch Apple hat rechtzeitig die Reißleine gezogen. Bei mir ist iOS7 schon nach wenigen Tagen nicht mehr wegzudenken und mein parallel betriebenes Nexus 4 wirkt hier und da auf einmal altbacken und überfrachtet. Man kann das iPhone 5S nicht ohne iOS7 denken. Nicht umsonst hat man zur neuen iOS Iteration argumentiert, dass die User keine Anfänger mehr auf dem Gebiet der Smartphones sind und man deshalb mehr voraussetzen könne als beim Start des ersten iPhones.
Doch gerade weil man das Innere so umgekrempelt hat, durfte das 5S nicht auch noch alles über den Haufen werfen. Das aber stürzt die bisherigen iPhone User in ein Dilemma. Wenn Kontinuität so wichtig ist, fällt die Revolution eben flach und damit auch der unbedingte Wunsch, aufrüsten zu wollen. Der neue Prozessor ist beeindruckend schnell, der Grafikchip wird Spiele auf neuem Niveau ermöglichen, die Kamera ist extrem dummytauglich, der Fingerabdrucksensor eine tolle Erleichterung und doch stellt sich der Aufrüstwillen nicht wirklich ein.
Das liegt auch an den Preisen. Apple hat es schlicht nicht nötig, ein Produkt, welches auch so genug Absatz findet, im Preis zu senken. Langfristig wird das darauf hinaus laufen, dass Apple seinen Marktanteil damit selbst marginalisiert. Es ist vorstellbar, dass man in wenigen Jahren auf dem Niveau angekommen ist, welches heute die Desktops haben, also je nach Markt 5-15%. Als Anwender fällt es mir trotz Begeisterung schwer, diesen Zyklus mitzugehen. Zu sehr haben Geräte wie das Nexus 4 die Wahrnehmung verändert. Auch wenn Android für mich derzeit keine Alternative ist, versauert einem der Blick auf die Preisschilder bei den Androiden doch langsam den iPhonekauf.
Die Frage aller Fragen, die der Anwender sich heute stellen muss, ist, was ihm die Kontinuität, die Berechenbarkeit, das Pflegen der Plattform, die einfache Bedienung, die Geschwindigkeit, das Ökosystem und letzten Endes die Marke Apple bedeuten. Anders als noch vor Jahren markiert das iPhone nicht mehr die Speerspitze in allen Bereichen. Es gibt größere und bessere Bildschirme, es gibt noch bessere Kameras, es gibt preiswertere Geräte, mehr Vielfalt und oft auch mehr Features, aber eines leisten alle Mitbewerber nicht: sie schaffen es nicht, das Gesamtpaket so harmonisch und rund anzubieten, dass man sich kuschelig in die Kissen fallen lassen kann.
Ein Samsung S4 ist richtig Arbeit, weil es durch irrsinnig viele Features, die nicht alle durchdacht sind, nerven kann. Ein Lumia 1020 mag eine extrem gute Kamera haben, es ist technologisch wie featuremäßig hoffnungslos unterlegen. Das neue LG G2 erklimmt neue Akkuhöhen und scheitert doch an der holprigen Hard- und Softwarequalität.
Apple hat sich für einen Sonderweg entschieden. Abschied aus dem Spec-War, den Samsung gestartet hat und den man nie gewinnen könnte, stattdessen so tun, als gehe einen das Maulen aus der Technikwelt gar nichts an. So viele Blogger und Newsseiten, die nach immer mehr schreien und dabei wissen, dass ihre Zunft auch davon lebt, dass sich ständig alles schneller dreht.
Wahrscheinlich ist das iPhone das für den Benutzer unauffälligste Gerät. Es eröffnet keine neuen Technikwelten, sondern macht vieles verdammt gut und zuverlässig. Und ja, man nimmt das Funktionieren als iPhone User so lange nicht wahr, bis man das Gegenteil erlebt.
Trotzdem bin ich unschlüssig, ob ich auf das 5S aufrüste. Bei all der Kontinuität ist mein Begehren mit eingeschlafen. Vielleicht beim nächsten Mal, beim 6S.