Ravenstein schrieb:
Mittelfristig ist das Ziel überall vdsl verfügbar zu haben, dass geht aber auch nicht über Nacht, das gute daran, die grauen Kästen auf der Straße haben dann alle glasfaseranschluss.
Es wäre vorerst zu aufwendig ftth zu bauen [...]
100% Zustimmung. Glasfaser ist für die langfristige Erschließung von neuen Breitbandgebieten zweifelsohne die beste Technologie weil sie als sehr zukunftssicher gilt, aber der flächendeckende Ausbau ist nichts weiter als Wunschdenken, wenn sich dabei an die gesteckten Breidbandziele gehalten werden soll.
Diesen Umstand haben wir uns jedoch selbst zuzuschreiben, denn während in anderen Ländern selbst in ruralen Gegenden munter Glasfaser bis in einzelne Häuser gelegt wurde, hat man sich in Deutschland, wie auch in einigen anderen westlichen Ländern (Frankreich, Italien, Österreich oder Griechenland, um nur ein paar weitere Beispiele zu nennen), auf das alte Kupferkabel-Netzwerk konzentriert und dann versucht, mit mobilem Breitband die Löcher zu stopfen. Wie diese Breitbandstrategie ursprünglich zu Stande kam oder wer daran die größte Schuld trägt ist mittlerweile ziemlich egal, aber als Konsequenz bleibt uns heute nur noch die "Wahl", diesen Weg weiter zu gehen.
Für Länder mit einer geringen Glasfaser-Erschließungsrate sehe ich dies besonders kritisch, weil die Erträge von Telekommunikationsunternehmen in der EU in den letzten Jahren eher gesunken als gestiegen sind und dies einem noch ausstehenden Ausbau kaum förderlich ist. Tatsächlich wurden in Österreich im Zeitraum 2014-2015 beispielsweise nur 4.000 Haushalte mit FTTH/FTTB erschlossen, was 0.1% des gesamten Marktes von 3,8 Millionen Haushalten ausmacht (Quelle:
Golem) und ich kann mir kaum vorstellen, dass dafür in absehbarer Zeit das Interesse oder die Investitionsbereitschaft steigen wird.
Neutral betrachtet finde ich das deutsche Modell zum Vectoringausbau daher im Rahmen der Möglichkeiten gar nicht so schlecht. Dort entfallen geschätzte 85% aller Haushalte in Nahbereichen dem Vectoring-Wettbewerb, in Österreich sind es 0%. Oder anders ausgedrückt: während ein alternativer Anbieter der Deutschen Telekom einen Standort wegschnappen und dort Vectoring selbst betreiben kann, obliegt der Vectoring-Ausbau in Österreich einzig und allein der Telekom Austria, die ihren Konkurrenten in diesen Gebieten jedoch in Form von virtueller Entbündlung Zugriff auf diesen Markt erlauben muss, genauso wie dies schon mit physikalischer Entbündelung (Indoor-DSLAM) seit mehr als 15 Jahren existiert.
Diese virtuelle Entbündelung wird in Österreich unumgänglich dazu führen, dass die sowieso schon seltenen alternativen DSL-Provider mit eigener Infrastruktur zur Entbündelung in den Wählämtern in den kommenden Jahren zu reinen Resellern verkommen und das Produkt für den Kunden, wenn auch indirekt, nur noch vom Monopolisten kommt. Das beginnt bei Technikern im Dienst der Telekom bei der Leitungsherstellung, setzt sich fort mit einer Liste der erlaubten Endbenutzergeräte von der Telekom und führt bis hin zu Geschwindigkeitsprofilen, die für alle Reseller identisch sind. Aber ich schweife vom Thema ab ...
Lars_SHG schrieb:
Die anderen Anbieter haben auch ganz schnell auch Angebote durch die Gegend geschickt um Kunden mit Billig-Tarifen abzugrasen.
Also auch hier sollte man mal bedenken, hätten wir die Telekom nicht, sähe es in den meisten Gebieten düster aus, denn andere Firmen würden sicher nicht so einen Aufwand tätigen für ein paar Kunden, die einem dann auch noch von anderen Maden abspenstig gemacht werden.
Ich finde es auch nicht gerade gut, dass jene Reseller sofort Zugriff auf neu erschlossene Gebiete und Produkte haben, ohne dort auch nur einen Cent investieren zu müssen. Andererseits darf man nicht vergessen, dass die von diesen Unternehmen bezahlte Leitungsmiete schon immer mehr als kostendeckend war, auch wenn das von den Besitzern der Infrastruktur oft nicht so dargestellt wird.
Lars_SHG schrieb:
Also ja, es geht schon voran, auch tatsächlich dort, wo es nach nichts aussieht, aber es geht eben auch nicht überall und sofort.
Ja es geht voran und das wird sich in den nächsten paar Jahren fortsetzen, denn es gibt eine Menge In- und Outdoor DSLAMs, die mit Vectoring quasi "neu" erschlossen werden können. Die Investitionskosten sind minimal, während Interessenten im Einzugsbereich aus einer Reihe neuer Produkte wählen wird können.
Das eigentliche Problem ist in Wirklichkeit ein ganz anderes, wenn die flächendeckende Breitbandversorgung, so wie von der Bundesregierung und der EU vorgegeben, das ultimative Ziel sein soll. Auch wenn bis 2018 alle bestehenden Hauptverteiler auf Vectoring umstellt wurden und in der nahen Zukunft Vplus oder G.fast in Aussicht gestellt werden kann, so wird das nichts in jenen Gebieten ändern, die derzeit nicht zum "Nahbereich" zählen. Dort wird der Ausbau auch in Zukunft nur über lokale Initiative und Investition durch die Kommunen mit Hilfe von Fördergeldern vorangetrieben werden können. Dies bedarf aber Eigeninitiative der lokalen Politik, denn wirtschaftlich orientierte Unternehmen (egal ob man dabei die Telekom oder ihre Konkurrenz meint) werden in diesen entlegenen Gegenden bestimmt nicht selbst ausbauen, weil es für sie ein Verlustgeschäft darstellt. Die Zukunft muss zeigen wie gut dieses Modell funktioniert, jedenfalls sehe ich der Sache aktuell aber kritisch entgegen, weil derzeit jeder von der Vectoring-Entscheidung und dem Ausbau der bestehenden Nahbereiche abgelenkt ist und sich die Regierung in Berlin vom regionalen Ausbau ziemlich deutlich distanziert hat und dafür lediglich Gelder aus dem Topf zur Verfügung stellt.