Moin. Langzeitleser hier, zum ersten Mal aktiv im Forum. Eigentlich wollte ich nicht mehr mit Fremden im Netz diskutieren. Gleichzeitig lässt mir das Thema keine Ruhe.
Ich spiele seit bald 30 Jahren PC- und Videospiele, war mal auf dem Weg Richtung Spielejournalist, sowohl meine Bachelor- als auch meine Masterarbeit haben Spiele zum Gegenstand, ich habe selbst einige Gehversuche in der Entwicklung von PC-Spielen gemacht und bin begeisterter Leser von allem, was zum Thema Videospiele geschrieben wird. Spiele waren mein Fenster zur Welt, als ich mich in dem Dorf, in dem ich aufwuchs, sehr allein fühlte, und haben mich fast mein ganzes Leben lang begleitet.
Leider musste ich gerade in den letzten Jahren feststellen, dass es keinen Spaß mehr macht, diese großartige Kunstform zu begleiten. Neben Faktoren wie den teilweise doch sehr miesen Arbeitsbedingungen in der Industrie, die immer mal wieder an die Öffentlichkeit geraten, oder der allmählichen Konsolidierung, ist es vor allem der Umstand, dass jedes noch so kleine Spiel in diesen Kulturkrieg hineingezogen wird, den verschiedene Seiten über die letzten zehn bis fünfzehn Jahre befeuert haben. Ich finde es ein wenig traurig, dass wir da nicht durchblicken und Spiele nur noch durch die Brille betrachten, ob es denn "woke" oder "anti-woke" ist. Großartiges Ablenkungsmanöver, lasst uns der einen Seite verkaufen, dass das Spiel der Untergang des Abendlands ist, und der anderen Seite versichen, dass sie dort "gesehen" werden. Und dann streiten sich beide Seiten schön emotionalisiert in den Kommentaren bei YouTube, auf Social Media, oder eben in Internetforen, und ich Idiot mache dabei auch noch mit obwohl ich weiß, dass es mir nicht gut tut.
Zum Diskurs um The Veilguard fehlt mir, dass sich anscheinend niemand mehr daran erinnert, dass bisher jeder Dragon Age-Titel mit Kritik zu kämpfen hatte: Origins war nicht Baldur's Gate (also kein klassisches CRPG und damit nicht "tief" und "komplex" genug), DA2 war zu schnell entwickelt worden und setzte zu sehr auf die ewig gleichen Assets (ich kann mich an eine vernichtende 4players.de-Kritik erinnern), Inquisition erinnerte zu viele an ein MMO und war nicht Origins, und The Veilguard war "zu woke" und hat "die Serie verraten", wohlgemerkt eine Serie, die mit jedem einzelnen Teil etwas Neues in Gameplay und Erzählstruktur versucht hat und daher nie eine eigene Identität hatte, die hätte verraten werden können. Gleichermaßen hat sich mit Inquisition eine bestimmte Zielgruppe herausgearbeitet (zu der ich auch gehöre - es gehört zu meinen Lieblingsspielen), die aber eben nicht besonders groß ist - ja, Inquisition hat sich Millionenfach verkauft, aber wie mainstreamig ist es denn wirklich, dass diese zehn Millionen Spieler:innen auch wissen wollen, wie es weitergeht? Ich selbst habe The Veilguard bisher nicht gespielt, was zum einen an einem sich langsam ändernden Lebenstil, andererseits aber an dieser elendigen "woke/anti-woke"-Diskussion liegt, die jede Nachricht zum Spiel begleitet.
Mir ist klar, dass sich das Thema auch durch andere Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens zieht, und ich würde es vorziehen, die Menschen hinter den Labeln zu sehen und zu verstehen. Ich werde jedenfalls langfristig daraufhin ausweichen, Bücher zu lesen. Die Buchwelt ist auch nicht perfekt und ich werde Spiele vermissen, but at least nobody gives a shit about books, weshalb der ganze Kulturkrieg in dem Medium besser zu ertragen ist, wenn er denn mal aufploppt.
Schönen Abend noch und seid nett zueinander.