linkser schrieb:
Cannavaro
2006
Der wurde aber auch nur durch sehr besondere Umstände Weltmeister. So wie ein Torwart nur Torwart des Jahres wird, wenn er bei einem erfolgreichen Team spielt und gut hält, so wird ein Verteidiger auch nur Weltfußballer, wenn sein erfolgreiches Team gut verteidigt. Aber gerade dieses gute Verteidigen muss dem Wähler auch erst einmal bewusst werden, um sich anders als bei der Wahl des Welttorhüters auch gegen andere Positionen durchsetzen zu können. Da der Großteil aller erfolgreichen Teams nun aber selbsternanntermaßen Offensivfußball praktiziert, ist es sehr schwierig für einen Verteidiger, sich zu profilieren. Nun wurde Italien 2006 bekanntlich medial beschrieben durch "Mauern" Weltmeister. Erfolg durch gnadenlose Defensive konnte in "jüngster" Vergangenheit außer Italien nur Griechenland 2004 verbuchen, von denen waren die Verteidiger im Vorfeld der EM2004 aber genauso unbekannt, wie sie heute wieder sind. Folglich kam da für 2004 sowieso keiner infrage.
Zusätzlich spielt der Faktor "internationales Turnier" auch stark in die Entscheidung ein. Da es sich bei der Wahl zum Weltfußballer um Wähler aus aller Welt handelt, sehen diese bei Weltmeisterschaften genau hin. Zeigt da einer der sonst schon zur Wahl infrage kommenden Spielern Leistungen, mit der er sich abheben kann, hat er bei der Wahl deutlich bessere Chancen. In diesem Fall kann man somit zumindest von einem relativ leistungsfundierten Urteil sprechen, das die Wähler fällen. Relativ deshalb, da Leistung beurteilt wird, der Beurteilungsrahmen aber stark beschränkt ist. In einem Jahr ohne Weltmeisterschaft (Confed-Cup kann sicher ähnlich wirken, aber da war ja eh diesmal keiner der 3 dabei, auch eine EM oder Copa America mit Abstrichen) wird so eine Wahl dann aber eher prestigeorientiert. Ich würde behaupten, dass 80% der Wähler nach der Größe der jeweiligen Namen in ihrer Wahrnehmung entscheiden. Sie machen das, weil sie eben keine andere Grundlage besitzen. Die Kapitäne werden sich die zur Wahl stehenden Spieler nicht ansehen, dafür sind sie selber zu beschäftigt. Die Medienvertreter sind meist auf ihre eigenen Länder fixiert. Damit können außereuropäische Nationen bei einer Wahl, die zu über 90% Spiele innerhalb Europas einbezieht, schon einmal nicht gut über Leistungen der Spieler informiert sein. 2013 hat sich bei einem internationalen Turnier nur Neymar in den Fokus gespielt. Da er sich aber sonst noch nicht auf großer Bühne präsentieren konnte, bleiben eben nur jene 3 Spieler, zwischen denen vor allem das Prestige entscheidet.
Damit wieder zu Cannavaro: Italien wird Weltmeister durch eine starke Defensive --> Das mediale Bild beschränkt sich auf die tolle Defensive --> Die öffentliche Wahrnehmung (und die Wahlberechtigten kommen dieser sehr nahe) genauso --> Cannavaro ist Kapitän dieses Erfolgsteams und Schlüsselspieler --> er ist nach öffentlicher Wahrnehmung der Beste.
Aus diesem Grund wird Lahm auch nie Weltfußballer werden können: WM-frei werden es sowieso Offensivspieler und bis zu Lahms Karriereende ist es äußerst unwahrscheinlich, dass Deutschland gleichzeitig durch Defensivfußball auf sich aufmerksam macht, den Titel holt (oder zumindest weltweit Sieger der Herzen wird (Deutschland sowieso nicht)) und er selbst zumindest als starke Führungsfigur in die Wahrnehmung gerät.
Dann nochmal etwas zum Thema "Was wäre Real ohne Ronaldo?":
Wenn man hervorhebt, dass Ronaldos Team zu schwach ist, um Titel zu holen, und er deshalb keine Titel zu holen braucht, kann ich diese Beziehung relativieren: Ein schwaches Team ergibt in der Wirkung einen stärkeren Auftritt des Einzelnen, der über dem Schnitt Leistung bringt, wohingegen es schwieriger ist, aus einem funktionierenden Team herauszustechen. Ich lasse das mal so stehen, wollte diese Seite aber nicht unbeleuchtet lassen.