Özil ist ein Spieler an dem sich die Geister scheiden. Das ist nicht nur bei Fussballfans sondern auch bei Presse und Trainern so.
Gary Neville, den ich persönlich zusammen mit Jamie Carragher sehr hoch schätze für seine Analysen, hat erst letzten Montag nach dem Liverpool-Spiel wieder rumgeätzt, dass er erwartet, dass Özil mehr Verantwortung übernimmt. Auch in Form von Toren.
Aber Gary Neville und Konsorten im englischen Fussball sind mit einer ganzen anderen Sorte Mittelfeldspieler auf dem Platz aufgewachsen bzw. haben mit diesen gespielt. Spieler die durch Robustheit und einem Zug zum Tor ausgestattet sind und auch den Weitschuss wagen. Yaya Toure Box-to-Box Spieler oder Spieler vom Schlage eines Paul Scholes. Das wollen die Engländer sehen. Ein Schweinsteiger oder Ballack die mit ihren Fernschüssen schon vor ihrer Ankunft respektiert und gefürchtet werden passen hier perfekt rein.
Özil schießt aber nicht einfach drauf. Schon gar nicht aus weiter Entfernung mit Mitspielern um sich herum.
Er sucht immer den Pass, selbst wenn er schießen müsste. Er ist die personifizierte Uneigenützigkeit auf dem Fussball-Platz und braucht dadurch automatisch auch fähige Spieler um sich herum. Er kann nicht glänzen, wenn die Anderen die Chancen die er kreirt nicht in Zählbares ummützen. Deswegen der Tonus "Özil glänzt nur wenn der Gegner abgeschossen wird" und deswegen weint ihm ein 60 Tore Ronaldo hinterher.
Ich hab mir das Spiel gegen Liverpool angeschaut (das Spiel gegen Crystal Palace wo er geglänz hatte nicht, die West Ham klatsche erst nach dem ersten Gegentreffer) und nein Özil war keinesfalls schlecht. Von der Laufleistung steckt er jeden Arsenal Spieler in die Tasche. Ohne ne Statistik mir anzugucken bin ich mir sicher, dass er sich neben Ramsey am meisten bewegt haben muss.
Ich wiederhole mich wahrscheinlich, wenn ich sage dass er Räume öffnet in dem er häufig einen zweiten oder dritten Verteidiger anlockt, wenn er den Ball führt. Die besondere Extraklasse bei Özil liegt aber in seiner Fähigkeit diesen Druck nicht nur Stand zu halten, sondern er ist, neben Modric, David Silva und Iniesta (und natürlich Messi), einer der wenigen Spieler auf der Welt die in der Lage sind die dadurch freigewordenen Räume zu nutzen und Pässe nach vorne zu spielen und den Angriff weiterlaufen zu lassen, statt ihn abzubrechen und hinten rum zu spielen.
Die sich öffnenden Räume müssen jedoch auch genutzt werden. Liverpool stand Montags sehr tief und Angebote von startenden Mitspielern gab es kaum. Giroud ist ein Strafraumstürmer der technisch nicht unbedarft ist, aber verglichen mit einem Benzema, Klose oder Aguero sehr statisch in der Box verweilt und kaum nach außen ausweicht. Dies ist ein Problem für Arsenal, da es ein Problem für Özil ist. Der sonst unter Wenger geliebte One-Touch Football und Passmotor im Mittelfeld gerät so ins stottern. Nicht in der Gesamtpasszahl, aber in der Effektivität der Pässe.
Lange Rede kurzer Sinn. Wenger hat seine Gründe warum er ihn geholt hat für 50 Mio, auch wenn dies nicht jeder auf der Insel versteht. Wenger ist der Dirigent und Özil sein Metronom im Emirates Stadium, wenn zum Passorchester der Arsenal Kannoniere geladen wird. Jeder Angriff geht über ihn und auch wenn die zählbaren Assists und Tore bei Anderen stehen, ist er durch seine Gedankenschnelligkeit und Fähigkeiten häufig der Mann mit dem Pass vor dem Pass der notwendig ist.