Für die, die es interessiert, hier mal mein Eindruck der 890 SMT, steht so auch im T5Net.
Moin,
habe gestern Abend die 890 SMT ausprobiert. Eigentlich primär aus Neugierde ohne irgendwelche konkreten Absichten und Erwartungen.
Fazit: Lieder geil!
Bin vor einigen Jahren mal eine 990 SMT gefahren. Da hätte ich aber direkt den Führerschein abgeben können, die 990 V2 Motoren flüstern mir permanent ein, das sie Feuer wollen. Spaßig, auf Dauer aber zu anstrengend. Und trinkfest sind die auch! Außerdem waren die preislich für 10 Jahre alte Karren allesamt ambitioniert bis unverschämt bepreist. Am Ende bin ich dann 2019 bei der 790 Duke hängen geblieben und bis auf einige Kleinigkeiten mit dem Ding auch sehr zufrieden. Schön handlich, sau bequem, eher nix fürs Auge - wenn man drauf sitzt geht das aber.
Gestern Abend bei bestem Wetter die 890 SMT abgeholt, die Einweisung beschränkte sich auf "Kennst ja im Prinzip alles von der 790, ist jetzt halt bunt, viel Spaß - und du must erstmal Tanken."
Also anziehen, aufsitzen und ab zur Tanke. Im Vergleich zu 790 wie erwartet eine Ecke höher und etwas schwerer beim rangieren. Ohne nachgeschaut zu haben hätte ich das Ding auf um die 200 kg schätzen. Laut KTM sind es 206 kg fahrfertig vollgetankt, nah dran. Mit 1,85m Körpergröße reicht es mit der normalen Sitzbank so gerade eben um beide Füße komplett auf den Boden zu bekommen. In dem vielen Regen letzten Samstag bin ich wohl etwas eingelaufen. Mit der Tourensitzbank wird das schon sehr knapp, die scheint aber auch eher hart zu sein.
Die Sitzposition ist eher 'auf' als 'im' Motorrad, der bunte Tacho mit allerlei Informationen, die mich eigentlich nicht interessieren, ist im unteren Sichtfeld präsent. Vor dem Lenker ist gefühlt noch viel Fahrzeug. Auf der 790 sehe ich, wenn ich nach vorne gucke, eigentlich nix vom Motorrad. Man sitzt gefühlt mehr auf dem Vorderrad. Dafür muss man für den Tacho schon bewusst herunter schauen. Ist aber wohl auch von meiner Brille und deren Sichtfeld abhängig...
Eins der wenigen Motorräder, wo ich mit den originalen Spiegel kaum meine Arme, aber dafür sehr viel Verkehr hinter mir sehen kann.
Nach den ersten paar Kreisverkehren: Das Ding ist derart handlich, das ist schon fast nervös. Im Prinzip der gleiche Trick, den BMW schon ewig in die GSen einbaut. Beim losfahren fallen gefühlte 20kg ab, laufen hinterher und steigen erst beim nächsten Anhalten wieder zu. Dazu ein vergleichsweise großzügiger Lenkeinschlag, so kann man das recht lange Fahrzeug auch noch brauchbar rangieren. Bei meiner Garageneinfahrt nicht ganz unwichtig.
Getankt, abfahrt Richtung Sauerland, Eisessen am Diemelsee. Auf der Bundesstraße dahin habe ich dann feststellen müssen, das der montierte Windschild genau gar nicht passt. Die Abrisskante der Strömung trifft bei gemütlicher Sitzposition genau Hals und Unterseite Helm. Entsprechend laut wird es in selbigem ab 80 km/h, das ist zusammen mit dem pulsieren des Tons ist doch hart lästig. Hebe ich den Arsch ein paar cm aus dem Sattel, wird es deutlich angenehmer. Kopf platt auf den Tank geht auch, ist aber wohl eher falsch bei der Sorte Fahrzeug - und auch eher unbequem. Ansonsten ist die Sitzposition aber schon sehr entspannt. Wie bei der Duke bekannt kann man den Lenker in 4 Positionen in Längsrichtung versetzen.
Wo wir bei laut sind: Der Karren ist "Tirol - Stufe 2" kompatibel, 88 dB(A) auf dem Typenschild. Vom Motor bekommt man, auch wenn man den Kopf in die Ruhezone vom Wind hält, eigentlich nicht viel mit. Beim Anfahren halt die üblichen Geräusche vom Ventiltrieb, dezente Ansauggeräusche aus der Airbox und komische dezente Pfurz- und Klappergeräusche aus Richtung des gar nicht so kleinen ESD. Alles in allem scheint das akustisch sehr zurückhaltend für das Umfeld zu sein.
Motortechnisch habe ich zur Duke 790 eigentlich keine all zu großen Unterschiede erwartet. Beide 104 oder 105 PS. Wie sehr man sich irren kann.
Der Motor der 790 Duke ist tendenziell eher so der AHDS-Zappelphilipp, gefühlt kaum Schwungmasse und drehfreudig ohne Ende, mehr so das Drehzahltier. Im Prinzip dem Eingangs erwähnten 990 V2 nicht so unähnlich. Halt nur deutlich sparsamer. Dafür kommt der Motor der Duke aber auch mit einer recht ausgeprägten Lustlosigkeit zwischen 4-5 tausend Umdrehungen daher. Heißt also entweder gemütlich herumrollen oder Knallgas. Das dazwischen ist nicht so seins, der sechste Gang auf der Landstraße eigentlich komplett über. Ortsdurchfahrt bei Tacho paarundfünfzig und anschließend brauchbares Beschleunigen geht im 4ten. Im Schiebebetrieb spätpubertäre Geräuschkulisse, durchaus unterhaltsam.
Im Gegensatz dazu ist der 890 Motor der SMT mehr das Drehmomenttier und lässt sich stressfrei und zügig bei kleineren Drehzahlen bewegen. Ortsdurchfahrt bei paarundfünfzig geht im 5ten, anschließend kann man am Ortsschild auch ohne zu schalten das Auto vor einem völlig unaufgeregt überholt werden. Im Prinzip ist ab 2500 Umdrehungen immer nutzbarer Schub da. Der Drehzahlbereich jenseits der 6000, den man bei der 790 doch schon öfter mal nutzt, war gestern völlig uninteressant. Die Unmutsbekundungen, die der 790 Duke Motor bei kleinen Drehzahlen äußert, gibt es hier nicht. Gut, bei Standgas kann man das bestimmt provozieren, aber das will man ja auch nicht. Da das Schaltschema am Vorführer (für mich) falsch herum ist, habe ich gelernt: Fährt auch im zweiten Gang völlig stressfrei an.
Sobald es dann kurviger wird und man so nichts ahnend über seine Hausstrecke rollt, stellt man irgendwann fest, das man doch wieder eher zügig unterwegs ist. Mit dem fremden Vorführer wollte man ja eigentlich gemütlich machen, weil man will das ja weder bezahlen, noch einer von denen sein, die einen Vorführer in den Graben gesteckt haben. Man kommt vom Dorf, die Berühmtheit will man eigentlich nicht.
Das Vertrauen das einem der Karren zusammen mit den Power GP Reifen vermittelt ist schon schwer eindrucksvoll. Linienwahl geht fast automatisch. Auf Grund der hohen Sitzposition musste ich mich etwas neu kalibrieren damit die Räder wieder da waren wo ich sie in Schräglage haben wollte. Schräglagenwechsel von einer Seite zur anderen gehen auch völlig easy und ohne irgendwelche Anstrengungen.
Fahrwerk kommt wie immer bei KTM von WP, auf den ersten Eindruck solide Hausmannskost. 180mm Federweg vorne wie hinten. Vorne in Zug- und Druckstufe in einem recht weiten Bereich verstellbar. Hinten ist scheinbar nur die Federvorspannung, allerdings per Handrad, einstellbar. Da auf meiner Hausrunde seit Jahren fleißig gebaut wird, gehen mir tatsächlich die Fahrwerksteststrecken der 5ten Ordnung aus. Die letzten 2 sind auch verschwunden... Das Fahrwerk macht aber auch ein soliden Eindruck, Federweg ist reichlich vorhanden. Dabei mit alltagstauglicher Progression. Ich hatte das deutlich mehr in Richtung Schaukelpferd erwartet.
Wer fährt will irgendwann anhalten, z.B. um ein Eis zu essen. Bremserei kommt von J.Juan, Brembos preiswerte Sparte. Intialbiss ist gut, Dosierbarkeit ebenfalls. Beim Bremsen taucht die Front merklich ein, ist halt reichlich Federweg da. Schlägt aber nicht wie beim Serienfahrwerk der Duke790 mit mir durch wenn man ambitioniert unterwegs ist. Die Bremspumpe erinnert entfernt an eine kaufmännisch hart optimierte RCS. Funktioniert alles super, ABS unauffällig.
Die Hinterradbremse scheint entweder hervorragend zu funktionieren oder aber es ist eine Kombibremse. Nutzt man beherzt nur die hintere Bremse verzögert es doch merklich, aber auf eine Art das die Front nicht abtaucht. Das es sich um eine Kombibremse handelt, ist dieser Stelle eine Vermutung meinerseits.
Die Verarbeitung ist in Ordnung, aber wie bei KTM nicht so unüblich eher auf der rustikalen Seite. Damit kann ich leben.
Wurde bei der 790/890 Duke Reihe noch das 'Ready to Race' und die Möglichkeit der Umkehrschaltung im Handbuch beschrieben, hat hier irgend ein Penner eine völlig nutzlose Nase an die Ritzelabdeckung konstruiert, damit eben dies nicht geht. Händler prüft ob Abdeckungen der 790/890 Dukes passen.
Wie sich das für die Motorreihe gehört ist die Getriebeausgangswelle vom Vorführer mit 2500 km auf dem Tacho schon hart undicht. Und das, wo 2019 schon Reparatursätze verkauft wurden, die das Problem in den allermeisten Fällen dauerhaft lösen. Meine 790 hatte das auch bei 2000km und seit 18tkm ist da jetzt Ruhe.
Fazit: Alles in allem ein Motorrad das gestern auf den ~220 km einen fast ausschließlich positiven Eindruck gemacht hat. Fährt sich spielerisch, entspannter/souveräner als die 790 Duke, scheint ebenfalls sau bequem zu sein. Optisch gefällt mir das etwas besser als die 790 Duke, sieht halt nicht ganz so unfertig und zerklüftet aus. Da ich aktuell kaum noch Halbtagestouren mache sondern meistens für mehrere Tage unterwegs bin, darf es ruhig etwas gepäckfreundlicher sein. Das geht zwar mit der 790 auch gut, aber dann kann ich mich zwischen dem Gepäck halt auch genau gar nicht mehr bewegen.