downforze schrieb:
Nach dem 2. Weltkrieg wurde explizit der preußische Militarismus als Ursache genannt. Es verweisen auch schon frühere Werke darauf: z.B. Heinrich Mann - "Der Untertan".
Oder hier: „Die meisten Staaten haben eine Armee; die preußische Armee ist die einzige, die einen Staat hat“ Mirabeau.
Noch 1914 erklärte der franzö. Ministerrat das „Ende des preußischen [Anm. nicht des deutschen!] Militarismus“ als oberstes Ziel - warum wohl?
Das Deutsche Reich wurde dominiert von Preußen. Wie man allenernstes behaupten kann, es hätte mit Deutschland nichts zu tun, ist mir schleierhaft.
Nun, gerade das was Preußen anbelangt... vor allem den sog. preußischen Militarismus, der auch gerne immer wieder als typisch deutsch herhalten muss, gehört in weiten Teilen auch bloß zu einem (negativ) Mythos!
Ich zitiere hier einmal aus
Wikipedia :
Das preußische Staatsmodell stützte sich auf eine besondere Form der Ethik, die gemeinhin als
preußischer Geist zusammengefasst wird und in die
Legendenbildung eingegangen ist.
[36] So verbindet man mit Preußen auf der einen Seite die Stereotype der von
protestantischen Werten (überwiegend lutherische Bevölkerung, aber calvinistisches Herrscherhaus) geprägten
preußischen Tugenden wie beispielsweise
Zuverlässigkeit,
Sparsamkeit,
Bescheidenheit,
Ehrlichkeit,
Fleiß und
Toleranz. Das gegenteilige Stereotyp verweist auf
Militarismus,
Autoritarismus, aggressiven Imperialismus und auf eine grundsätzlich demokratiefeindliche und reaktionäre Politik. Dabei hat Preußen weniger Kriege geführt als etwa Frankreich und England.
[37]
Christopher Clark stellt für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts fest, dass in England und Wales jährlich etwa sechzehnmal so viele Menschen hingerichtet wurden wie im vergleichbar großen Preußen. Wurde in Preußen die
Todesstrafe fast nur gegen Mörder verhängt, so gab es diese Strafe in England auch für zum Teil geringfügige Eigentumsdelikte. „Die Briten tolerierten staatliche Gewalt in einem Maße, wie sie in Preußen undenkbar gewesen wäre.“ Das Elend der Armen in Preußen in den 1840er-Jahren bleibe auch zurück hinter der irischen Hungerkatastrophe unter britischer Herrschaft. „Wären die Polen in Preußen von einer vergleichbaren Hungersnot dahingerafft worden, würden wir darin heute vielleicht Vorboten der Naziherrschaft nach 1939 sehen.“
[38]
Das heutige Bild Preußens in der Geschichtswissenschaft ist weitaus differenzierter als beide Stereotype, deren letzteres aber, wie nachfolgend gezeigt, als Gründungsmythos der Bundesrepublik Deutschland als notwendig erscheint; es wird auf die Vielschichtigkeit und lange historische Entwicklung dieses Staates verwiesen.
„[Preußen und der Nationalsozialismus stehen] in einem absoluten Gegensatz. Preußen steht für die Hoheit des Staats, für die Idee, dass der Staat die gesamten Interessen der Zivilgesellschaft in sich aufnimmt. Für die Nazis war das unvorstellbar, sie wollten ein völkisches Gebilde an die Stelle des Staats setzen. […] Die
Sonderweg-These war fruchtbar, weil sich die klügsten Geister damit auseinandergesetzt haben. Und sie erfüllte einen volkspädagogischen Zweck, denn sie ermöglichte es, verschiedene Problemkomplexe wie Militarismus, Gehorsamskult, Autoritätsgläubigkeit über den Begriff Preußen zusammen mit dem Nationalsozialismus in einen Topf zu werfen. Das hat die Entstehung einer liberalen Bundesrepublik erleichtert. Aber jetzt ist es Zeit, andere Fragen zu stellen und Raum zu schaffen für neue Sichtweisen.“
–
Christopher Clark:
Der-Spiegel-Interview am 21. August 2007
[39]
Zumal Nationalismus in GB oder Frankreich sowie der Militarismus des 19. Jhdt. sich durchaus in Nuancen unterscheiden mag, im Großen und Ganzen dem "deutschen" Nationalismus / Militarismus in nichts nachstand.
Auch der Einwurf des Rassismus im Kaiserreich sehe ich da gelassen entgegen verglichen mit Frankreich oder GB... es entsprach dem Zeitgeist in Europa und war für die Menschen im 19.jhdt eben so, auch wenn man das aus heutiger Perspektive ethisch / moralisch anders bewertet.
Ein ganzes Heer an
europäischen / amerikanischen Anthropologen / Biologen / Mediziner haben naturwissenschaftlich versucht zu erklären, weshalb die
"weiße" Rasse allen anderen überlegen ist.
Für die Menschen der damaligen Zeit war es ein
IST. Ein "ist", dass wohl kaum einer in Europa ernsthaft in Zweifel gezogen hat!